APA - Austria Presse Agentur

documenta fifteen zwischen Stadion und Reisscheune

Mit der internationalen Pressekonferenz wird am Mittwoch der Startschuss zu der documenta fifteen genannten 15. Ausgabe der Weltkunstausstellung in Kassel gegeben, die alle fünf Jahre für hundert Tage die nordhessische Stadt in ein Barometer der Kunstwelt verwandelt. Heuer ist fast alles anders. Als Symbol für den kollektiven und gesellschaftlichen Ansatz dient eine Reisscheune, die Pressekonferenz wird in einem Stadion abgehalten. Die offizielle Eröffnung folgt am Samstag.

Die künstlerische Leitung der documenta fifteen hat das indonesischen Künstlerkollektiv Ruangrupa inne. Es hat 14 Kollektive, Organisationen und Institutionen sowie 54 Künstlerinnen und Künstler eingeladen, an 32 Standorten Aktivitäten zu setzen. Traditionelle Standorte wie das Fridericianum oder die documenta Halle werden zwar auch einbezogen, bieten aber keine klassische Kunst-Leistungsschau. Der Fokus liegt auf der Bespielung von teilweise schon länger leer stehenden Gebäuden in der ganzen Stadt, auf öffentlichen Plätzen sowie auf Interventionen in bestehenden Museen wie dem Museum für Sepulkralkultur, dem Naturkundemuseum im Ottoneum, dem Hessischen Landesmuseum, dem Stadtmuseum Kassel oder der Grimmwelt Kassel.

Im Zentrum steht der Begriff des lumbung, der gemeinschaftlich genutzten Reisscheune, in der überschüssige Ernte gelagert und zum Gemeinwohl nach gemeinsam definierten Kriterien verteilt wird. Als Symbol steht dieses Prinzip für eine interdisziplinäre, unhierarchische und gemeinschaftliche Arbeitsweise. Daher stehen auf dieser Weltkunstausstellung auch weniger Starkünstler als soziale Initiativen, Kollektive und Organisationen im Mittelpunkt.

Unter den Teilnehmern ist etwa eine dänische Organisation, die Geflüchtete mit Rechtsberatung und Sprachkursen unterstützt oder eine Gruppe aus Bangladesch, die sich um Müllvermeidung bemüht. Es gibt einen Bienenzüchter aus Kassel, einen "trans*feministischen Kunst- und Sozialraum" oder ein koreanisches Forschungsprojekt, "das die vielfältigen Verbindungen zwischen Pflanzen und Menschen, Zivilisation und Naturphänomenen sowie Kolonialismus und Ökologie untersucht". Auch die wenigen eingeladenen Einzelkünstler wie der Comiczeichner Nino Bulling, die türkische Künstlerin und Filmemacherin Pınar Öğrenci oder die aus Taschkent stammende Filmemacherin und Künstlerin Saodat Ismailova haben zahlreiche Kolleginnen und Kollegen nach Kassel mitgebracht.

Im Vorfeld war mehr über Antisemitismus als über Kunst debattiert worden. Der Vorwurf lautete, auch Organisationen eingebunden zu haben, die den kulturellen Boykott Israels unterstützten oder antisemitisch seien. Ruangrupa und die documenta wiesen die Anschuldigungen entschieden zurück.

Laut Organisatoren wurden bereits 54.000 Eintrittskarten verkauft, mehr als vor fünf Jahren zu dem Zeitpunkt. Das Tagesticket kostet 27 Euro. Zur Eröffnung am Samstag gibt es zahlreiche Feste in der ganzen Stadt. Danach ist die documenta traditioneller Weise genau 100 Tage geöffnet, wird also am 25. September wieder ihre Tore schließen.

(S E R V I C E - https://documenta-fifteen.de/)