APA - Austria Presse Agentur

Drei Premieren in der Josefstadt: Absenger viel beschäftigt

Für seine Rolle der Charlotta Iwanowna in Amélie Niermeyers "Kirschgarten"-Inszenierung erhielt Alexander Absenger im Vorjahr einen Nestroy-Preis als bester Nebendarsteller. Ab Donnerstag steht er am Theater in der Josefstadt in einer Hauptrolle auf der Bühne, wenn Janusz Kica Schnitzlers "Der Weg ins Freie" in einer Dramatisierung von Susanne Wolf auf die Bühne bringt. Am 16. September folgt "Die Stadt der Blinden", am 30. September "Anna Karenina".

Nur drei Tage später starten schließlich die Proben für die vierte von fünf Produktionen, in denen der 1985 geborene Steirer in dieser Theatersaison auf der Bühne der Josefstadt steht: In der Regie von Alexandra Liedtke feiert "Der ideale Mann" nach Oscar Wilde am 25. November Premiere, bevor Absenger dann im Februar auch in der Großproduktion "Leopoldstadt" mitspielt. Dass es für den Schauspieler, der auch immer wieder vor der Kamera arbeitet (u.a. "Vienna Blood", "Tatort", "Schnell ermittelt"), derart Schlag auf Schlag geht, ist dem Coronavirus zu verdanken. Monatelang probte er im vergangenen Jahr Stücke, die schließlich aufgrund der Maßnahmen nicht zur Premiere gebracht werden konnten. Nun freut er sich, "dass wir - hoffentlich auch länger - wieder spielen können". Das vergangene Jahr bezeichnet er im APA-Interview als Geduldsprobe. Andererseits sei ihm nun noch deutlicher klar geworden, "dass man für ein Publikum spielt". Das Spielen vor (fast) leerem Haus, etwa auch für TV-Aufzeichnungen wie dem "Kirschgarten", sei kein Antrieb.

Als Lehre der vergangenen Monate, in denen Disposition auf Disposition im Mistkübel landete, zieht er die Notwendigkeit einer höheren Flexibilität, "was für größere Häuser allerdings schwieriger ist als für kleinere Off-Bühnen", wie er zugibt. Etwas ratlos hinterlassen ihn die Möglichkeiten, Theater online zu vermitteln. Im Vergleich zu deutschen Häusern, die sich auf der Plattform "dringeblieben.de" organisiert haben, hätten sich die Wiener Bühnen auffallend zurückgehalten. Zugleich habe es meist wenig Sinn, Produktionen einfach abzufilmen, hier habe es zu viele Schnellschüsse gegeben. "Da müsste man richtig für die Kamera inszenieren, diese Zeit hat man oft nicht", so Absenger, der dennoch festhält: "Die Gattung Live-Theater darf nie aussterben."

Besonders spannend an den anstehenden Premieren findet er die Aktualität der Stoffe. In der Dramatisierung von Schnitzlers "Der Weg ins Freie", das Susanne Wolf auch mit Tagebucheinträgen des Autors angereichert hat, spielt er mit dem Komponisten Georg von Wergenthin einen "unpolitischen Lebemann, ein Egozentriker, der seinen Kopf durchbringen will, wodurch er so manche Mitmenschen in den Abgrund treibt". Er sei selbst erstaunt gewesen, wie aktuell der Stoff sei. "Oft ist es bei Jahrhundertwendeliteratur ja eine Herausforderung, wie man das ins Heute bringt. Das war hier nicht der Fall. Auch die Liebesgeschichte ist ein modern gedachtes Beziehungskonstrukt, wenn beide Seiten dafür sind", so Absenger, der sich selbst allerdings "überhaupt nicht" mit der Figur identifiziert. "Ich kann in Zeiten wie dieser nur ein politisch denkender Mensch sein. Den Fokus nur auf sich zu richten, führt nicht zu einem gesamtgesellschaftlichen Frieden", ist er überzeugt.

Eine nicht zu übersehende Parallele zum Heute gibt es auch in "Die Stadt der Blinden" nach José Saramago. In dem Roman von 1995 wird eine Welt gezeigt, in der immer mehr Menschen erblinden und wie die Gesellschaft auf die um sich greifende Seuche reagiert. "Was für ein Hellseher", habe er sich beim Wiederlesen gedacht. Natürlich könne man die Situation nicht eins zu eins übersetzen, aber er sieht Parallelen darin, "wie eine Gesellschaft verkommt und durch Angstschürung ausgehebelt wird". Für Absenger ist es auch ein Text über Würde und Respekt. Auch wir befänden uns in einer "Gesellschaft, die am Kippen ist" und keiner wisse, "wie man da wieder rauskommt. Da sehe ich auch seitens der Politik zu wenig Signale", so Absenger.

Ein Wiedersehen mit Amélie Niermeyer gibt es mit der dritten Dramatisierung, in der er in den kommenden Wochen auf der Bühne steht. Diesmal hat sich die "Kirschgarten"-Regisseurin Leo Tolstois "Anna Karenina" vorgenommen. Zu viel will Absenger nicht verraten, allerdings werde - wie im Roman - ein Eislaufplatz eine Rolle spielen. An Niermeyer schätzt er ihren Zugriff auf die Stoffe und ihren Ansporn des Ensembles. "Sie schafft es, ein riesengroßes Labor entstehen zu lassen. Es ist schön, wenn man sich frei fühlt und trotzdem gut angeleitet wird". Auch versuche die Regisseurin, Tolstois Frauenbild moderner zu interpretieren. "Da sind wir ja jetzt zum Glück schon weiter als im Russland von damals, aber noch nicht so weit, wie wir es gerne hätten", gibt Absenger zu bedenken.

Nach der Premiere ist dann Ende September wieder vor der Probe: Mit "Der ideale Mann" und "Leopoldstadt" stehen für Absenger noch zwei weitere Produktionen an. Grundsätzlich hofft er, dass die Theater in Zukunft wieder vermehrt auf genuine Theatertexte setzen, statt auf die Dramatisierung bekannter Romane oder Filmstoffe. "Ich hoffe, dass die Theatermachenden wieder den Mut haben, sich den Theaterautoren zu stellen. Es gibt genügend davon. Man muss sie nur suchen und ihnen eine Möglichkeit geben." Nachsatz: "Ich hoffe sehr, dass da eine Kehrtwende kommt."

(Das Gespräch führte Sonja Harter/APA)

ZUR PERSON: Alexander Absenger wurde 1985 geboren und wuchs in Graz auf. Er studierte von 2005 bis 2009 Schauspiel am Konservatorium der Stadt Wien und war währenddessen als Gast u.a. am Theater Drachengasse, am Off-Theater sowie am Theater der Jugend engagiert. Nach Abschluss seines Studiums ging er ans Schauspielhaus Magdeburg. Am Theater in der Josefstadt war er u.a. in "Kafka - Ein Projekt", "Der einsame Weg", "Professor Bernhardi" und in "Der Kirschgarten" zu sehen, wofür er 2020 den Nestroy-Preis als bester Nebendarsteller erhielt. Neben seiner Theatertätigkeit steht Absenger regelmäßig für Film und Fernsehen (u.a. "Tatort", "Schnell ermittelt") vor der Kamera.

(S E R V I C E - Premieren mit Alexander Absenger am Theater in der Josefstadt: "Der Weg ins Freie" von Susanne Wolf nach Arthur Schnitzler, Uraufführung am 2. September, 19.30 Uhr, Regie: Janusz Kica, Bühne: Karin Fritz, Kostüme: Eva Dessecker. Mit u.a. Alexander Absenger, Raphael von Bargen, Alma Hasun. Weitere Termine: 3., 7., 8., 11., 12., 15., 23., 24., 28. und 29. September; "Die Stadt der Blinden" von Thomas Jonigk nach José Saramago, Uraufführung am 16. September, 19.30 Uhr, Regie: Stephanie Mohr, Bühne: Miriam Busch, Kostüme: Nini von Selzam. Mit u.a. Sandra Cervik, Martina Ebm, Alexander Absenger. Weitere Termine: 17., 22., 25. und 26. September; "Anna Karenina" von Amélie Niermeyer und Armin Petras nach dem gleichnamigen Roman von Leo Tolstoi, Premiere am 30. September, 19.30 Uhr, Regie: Amélie Niermeyer, Bühne: Stefanie Seitz, Kostüme: Christian Schmidt. Mit u.a. Raphael von Bargen, Silvia Meisterle, Alexander Absenger. Weitere Termine: 1., 9., 10., 22. und 28. Oktober. Infos und Tickets unter www.josefstadt.org oder Tel. +43 1 42700-300)