APA - Austria Presse Agentur

Dresdens Gemäldegalerie wird wiedereröffnet

Wenn eine Kunstinstitution wie die Dresdner Gemäldegalerie nach Jahren der Schließung ihre Pforten wieder öffnet, ist das per se ein Ereignis. Und wenn das Ergebnis der Restaurierungsarbeiten so beeindruckend ausfällt wie in der Sempergalerie, erst recht. Am Freitagabend hat sich deshalb auch namhafte Prominenz angesagt, um das Museum zwischen Zwinger und Semperoper feierlich zu eröffnen.

Zum Festakt im nebenliegenden Schauspielhaus sind nicht nur Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU), sondern auch der niederländische Regierungschef Mark Rutte angesagt. Gemeinsam mit dem aus Wien stammenden Direktor Stephan Koja geben sie den Startschuss für ein Eröffnungswochenende, das eine Abendöffnung bei freiem Eintritt bis 2 Uhr morgens, Kuratorenführungen und nicht zuletzt ein Konzert der Gruppe Woods of Birnam des Schauspielers Christian Friedel umfasst, das sich unter dem Titel "How to Hear a Painting" dezidiert auf die Werke der Galerie bezieht.

Besonders über die Wiedereröffnung freut sich dabei verständlicherweise Direktor Stephan Koja. Der einstige Leiter der Sammlungen des 19. Jahrhunderts und der klassischen Moderne des Belvederes war 2016 auf den Direktorensessel nach Dresden gewechselt, als die Renovierungsarbeiten bereits drei Jahre im Gang waren. Der 57-jährige Wiener erlebt nun also seine Institution erstmals im Vollbetrieb.

Untätig war man aber auch in den vergangenen Jahren nicht, unterstrich Koja am Freitag im Gespräch mit der APA. Schließlich galt es doch, die gesamten Depotbestände - darunter allein 3.000 Gemälde - im Hinblick auf die Neuhängung zu sichten. "Wir haben buchstäblich jeden Stein umgedreht", so Koja. Das ist dabei durchaus wörtlich zu verstehen, findet sich doch nun nach der Sanierung auch die umfangreiche Skulpturensammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Haus, nachdem die Rüstkammer 2013 ins Residenzschloss verlegt wurde.

Durch diese Entscheidung wurde das freigewordene Erdgeschoß - ursprünglich bereits von Architekt Gottfried Semper für diesen Zweck konzipiert - zum Skulpturensaal adaptiert. Das zog durchaus größere Konsequenzen nach sich, wiegen doch einzelne der Figuren bis zu 1,5 Tonnen. "Wir mussten eigens den Keller verstärken", so Koja. Gut 400 Skulpturen finden sich nun in der Gemäldegalerie, wobei man sich nicht auf die Präsentation im Erdgeschoß beschränkt. So bilden einzelne Werke gemeinsam mit den Bildern in den oberen Stockwerken vielgestaltige Bezüge.

Die einzelnen Räume sind farblich den jeweiligen Regionen zugeordnet: Rot für die Italiener, Blau für die Spanier und Franzosen, Grün für die Deutschen und Niederländer. "Wir belassen die Schulen bei sich", umreißt Koja das Konzept. Innerhalb der regionalen Zuordnung aber hat man sich thematische Freiheiten genommen. Das Aushängeschild der Sammlung, Raffaels "Sixtinische Madonna", findet sich neben weiteren Altarbildern, während hingegen Cranach - mit rund 60 Werken nennt man hier den größten Bestand sein Eigen - monothematisch ein beeindruckender Raum gewidmet ist. Manches ist in durchaus dichter, nahezu Petersburger Hängung gesetzt, und dann wieder wird den Werken Raum zum Atmen gelassen, wenn etwa ein kleines Triptychon von Jan van Eyck einen eigenen Raum mit vier Gobelins und vier mittelalterlichen Skulpturen bekommt.

Besonders markant sind aber die Querbezüge und Assoziationsketten, die man in der Zusammenschau mancher Gemälde oder zwischen Bildern und Skulpturen freisetzt. "Uns war auch ein Augenzwinkern wichtig", stellte Koja klar, wenn etwa der trunkene Herkules auf der Leinwand einem tatkräftig im Kampf verwickelten - und sichtlich nüchternen - Herkules gegenübergestellt ist. Oder die Rembrandt-Ikone "Ganymed in den Fängen des Adlers" wird flankiert von einem Porträtkopf Hendrick de Keysers, der einen ebenso verkrampft dreinblickenden Buben zeigt. Es handelt sich um freie Assoziationen, die dem Betrachter überlassen und nicht durch eigene Tafeln aufoktroyiert werden.

Es entspinnt sich somit der Eindruck eines höchst elaborierten, genau abgestimmten Konzepts voller Bezüge und Blickachsen. "Das ist wie ein Spinnennetz - wenn sie da einen Faden ziehen, kommt das ganze Konstrukt ins Wanken", zeigte sich auch Kurator Roland Enke überzeugt. Das macht etwaige Umhängungen in der Zukunft also schwierig. "Wir haben leider von vielen nur Meisterwerke", skizzierte Enke das Luxusproblem, dass man sich in Dresden schlicht schwertut, welches Werk man im Fall der Fälle für ein anderes im Depot verschwinden lässt.

Für solche Zwecke hat man denn auch eher 400 Quadratmeter für Wechselausstellung zur Verfügung. Hinzu kommt ein kleines Kabinett, in dem aktuell dem mittlerweile berühmten Dresdner Mars von Giambologna gehuldigt wird, der erst jüngst vor dem Verkauf gerettet wurde und nun mit drei weiteren Bronzen des Meisters aus den Beständen strahlen darf. Wie überall in der Galerie Alter Meister verzichtet man dabei auf Multimediastationen, sondern richtet den Fokus ausschließlich und pur auf die Kunstwerke selbst.

Schließlich hat man hier einfach Schätze von ungekannter Qualität zu bieten. Im Zuge der technischen Aufrüstung des Museums beließ man es nicht bei der Adaption der Räumlichkeiten. Rund 40 Werke wurden restauriert und sind nun - wie etwa ein monumentales Quartett von Veronese - nach Jahrzehnten erstmals wieder in Dresden zu sehen.

(S E R V I C E - www.skd.museum/semperbau2020)