Düster-doppelbödige Saisoneröffnung mit "Hamlet" an der Burg
Die Entscheidung, die Facetten der übermächtigen Titelfigur mit mehreren Schauspielern zu besetzen, ging an dem fast dreistündigen Abend nicht zuletzt durch die eindringlichen Leistungen von Katharina Lorenz, Tim Werths und Benny Claessens voll auf.
"Ein einzelner Mensch kann Hamlets universale, komplexe und widersprüchliche Gedankenwelt, die Shakespeare seiner Figur gegeben hat, gar nicht spielen, ohne sie zu individualisieren", hatte Marie-Luise Stockinger, die sowohl in die Rolle des Hamlet als auch der Ophelia schlüpfte, das Regiekonzept im Vorfeld erläutert. In der von dunkelbunten Wolken verhangenen Bühne von Katrin Brack, die das Geschehen auf drei schräg drapierten Scheiben verortete, brillierte Michael Maertens als entrückter König Claudius, der sichtlich unter der Fuchtel seiner neuen Gattin (Kate Strong in einem herrlichen Kauderwelsch aus Deutsch und Englisch) steht und den Brudermord weniger aus Kalkül denn aus Zufall verübt zu haben scheint.
Die Dichotomie von Schein und Sein, Spiel und Leben dominierte die Metaebene des Abends, der nicht zuletzt mit zwei Dutzend in Leintücher gehüllten Geistern von Hamlets Vater überraschte. Während Lorenz ihren Hamlet als verzweifelten Depressiven anlegte, gefiel sich Werths im blut- und rachsüchtigen Wahnsinnigen, während Claessens tollpatschige Verzweiflung verkörperte, die er auch seiner Rolle des Polonius überstülpte. Karin Henkels spitzbübischer Zugriff auf den Text setzte auf Sprachwitz, wobei die Inszenierung im letzten Drittel ein wenig aus dem Ruder lief und noch ein paar Probentage vertragen hätte. Ein Umstand, der der Freude des Publikums über diesen ungewöhnlichen Abend jedoch keinen Abbruch tat. Lang anhaltender Applaus.
(S E R V I C E - "Hamlet" von William Shakespeare im Burgtheater. Regie: Karin Henkel, Bühne: Katrin Brack, Kostüme: Teresa Vergho, Musik: Thomas Kürstner, Sebastian Vogel. Mit Alexander Angeletta, Benny Claessens, Katharina Lorenz, Michael Maertens, Marie-Luise Stockinger, Kate Strong und Tim Werths. Weitere Termine: 10., 11. und 28. September sowie am 11., 23. und 28. Oktober. www.burgtheater.at)
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