APA - Austria Presse Agentur

"Egmont" im Theater an der Wien wurde zum Erfolg

Ein Beethoven-Gedenken ohne Beethoven - dieses Kunststück ist dem Theater an der Wien am Montag geglückt: Die Uraufführung von Christian Josts "Egmont" als Auftakt des hauseigenen, bis 9. Mai angesetzten "Beethoven-Fests" wurde zum durchschlagenden Erfolg. In einer hochästhetischen Inszenierung von Keith Warner schwingt sich mit "Egmont" eine Freiheitsoper zu musikalisch hohem Niveau auf.

So lässt sich im laufenden Beethoven-Jahr das Theater an der Wien als einstige Wohnstatt des Komponisten nicht lumpen und feiert den Jubilar zum 250. Geburtstag unter anderem mit einer Ausstellung, Konzerten, einer Neuinszenierung des "Fidelio" durch Christoph Waltz und zwei Auftragswerken. Während Tscho Theissings "Genia" im März in der Kammeroper zu hören ist, läutete Josts "Egmont" diese Festwochen ein.

Die einzige Verbindung zum Geburtstagskind ist dabei das Sujet, hatte Beethoven doch für Goethes gleichnamiges Trauerspiel einst die Schauspielmusik geschrieben. Nun hat der 56-jährige deutsche Komponist Christian Jost die Idee der Freiheitsoper seines Landsmanns aufgegriffen. Dennoch erklingt kein Ton Beethoven an diesem Abend - und kein Wort Goethe, was sich im Verlaufe als die Schwachstelle des Werkes herauskristallisieren sollte.

Angesiedelt haben Jost und sein Librettist Christoph Klimke ihren "Egmont" in den Niederlanden, die zwischen den aufständischen Protestanten und der katholischen Herrschaft Philipps II. zerrissen werden. Der Herzog von Alba verkörpert den brutalen Unterdrückungsapparat, Prinz Egmont die moderaten niederländischen Adligen, die auf einen Kompromiss hoffen. Dazwischen steht Margarete von Parma als Statthalterin, die zwischen den Lagern vermitteln möchte und schließlich von Alba ermordet wird, der nach der absoluten Macht greift.

Diesen Politkrimi kleidet Jost in eine überraschend differenziert geführte, dramaturgisch gedachte Musik. Anfangs breitet er Klangflächen aus, unter die sich zunächst der kaum als solches zu identifizierende Chor mit Zitaten aus Beethovens "Brief an die unsterbliche Geliebte" mischt. Doch bei dieser Stoßrichtung belässt es der Komponist über den Abend hinweg nicht, sondern entwickelt seinen Klangraum mit dem weitgehend in Beethoven-Besetzung spielenden Orchester geschickt, schafft ein Kompendium an Stimmungen.

Kakofone Crescendi, blechdominierte Sequenzen und kantable Streicherpassagen finden darin Platz. Mal singt der Arnold Schoenberg Chor gleichsam ein Madrigal, dann wieder mischen sich spanische Folkloreklänge in das Gewebe, ohne dass dessen Homogenität gestört würde. Jost zieht dabei im Gesamtkontext die Stimme nicht der Musik vor - sondern hält beides feinsäuberlich getrennt. Im Gesang liegt die absolute Dominanz auf der Textverständlichkeit und tritt das RSO unter Michael Boder dezent in den Hintergrund, um dann wieder fulminant aufzuspielen, wenn die Sänger schweigen. Das Beste aus beiden Welten, gewissermaßen. Aber mit klarer Abgrenzung.

Dabei hätte man sich in diesem Falle gar nicht so vehement um die Textverständlichkeit bemühen müssen, stellt doch das von Christoph Klimke verfasste Libretto die Schwachstelle des Abends dar. Ungeachtet immer wieder aufblitzender, poetischer Sprachbilder, bleibt der Text insgesamt zu konkretistisch, am Duktus des Sprechtheaters orientiert. Der notwendig implizierten Überhöhung des Gesagten durch den Gesang hält dieses oftmals nicht stand.

Einen Gutteil zum Gelingen der Produktion trägt indes Regisseur Keith Warner bei, der mit seiner Inszenierung die dem Stück innewohnende filmische Qualität der schnellen Schnitte, unvermittelt aufeinanderfolgender Szenen aufgreift und mit der ihm eigenen Kunst der minimalistischen Opulenz bühnenpraktikable Installationen in monochromen Farben schafft. Eine hohe Ästhetik dient hier nicht der Behübschung, sondern unterstützt den Fortgang der Handlung, die in einer Welt spielt, der die Farbe abhandengekommen ist. Durch sie wandelt TaW-Stammgast Bo Skovhus in der Rolle des brutalen Alba als weißes Gespenst der Macht, dem mit Machiavelli ein mephistophelischer Lakai zur Hand geht, als der sich TaW-Debütant Karoly Szemeredy für den im März zu hörenden "Fidelio" empfahl.

Publikumsliebling Maria Bengtsson ist als Egmont-Geliebte Clara weniger das anhimmelnde Weibchen, denn eine starke Partnerin in Crime, während Angelika Kirchschlager als Margarete von Parma ihre darstellerischen Qualitäten zwischen besorgter Regentin und leicht verruchter Begehrender ausspielen kann. Theresa Kronthaler schließlich darf sich in der Hosenrolle des Ferdinand über den Abend hinweg freispielen und sich zusehends zur Machtberauschten entwickeln. Amüsanterweise bleibt stückimmanent einzig die Titelfigur des Egmont ungeachtet eines solide agierenden Hausdebütanten Edgaras Montvidas blass. Dass dieser Apologet der Freiheit die Massen nicht hinter sich vereinigt, verwundert nicht. Da ist das Böse einfach anziehender.