APA - Austria Presse Agentur

Ein Kaufmann im Zuckerlgeschäft: Tourauftakt im Konzerthaus

"Mein Wien" als Konzertprogramm ist für einen Deutschen eine ziemliche Ansage. Den Auftakt zur gleichnamigen Tournee dann auch noch im Großen Saal des Wiener Konzerthauses zu begehen, könnte man fast schon als kühn bezeichnen. Da muss man schon Jonas Kaufmann heißen, um für ein solches Wagnis sogar mit einem "Goldenen Rathausmann" belohnt zu werden. So geschehen, am Montagabend.

Und selbst bei Kaufmann geht sich das fast nicht aus, wie der Österreicher, nicht aber der Deutsche, sagen würde. Die sympathisch offen angesprochene Nervosität ist zumindest in der ersten Konzerthälfte spürbar - wer will schon sein bis in die letzte Vokalrundung penibel trainiertes Wienerisch vor mehr als 2.000 Wienern locker aus der Hüfte schießen? Vor einer Gästeschar von ORF-General Alexander Wrabetz bis zum künftigen Staatsopern- und Noch-Sony-Klassikboss Bogdan Roscic, von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bis zu Operettendoyen Harald Serafin? Und sich dabei von einem Orchester begleiten lassen, das den lieblich-verhinkten Strauß-Rhythmen mitten im Wiener Musiktempel jahrmarktschreierische Gewalt antut?

Das neue "Wien"-Album, das soeben bei Sony erschienen ist, hat Kaufmann mit den Wiener Philharmonikern unter Adam Fischer eingespielt, die dazugehörige Tour, die nach Wien noch quer durch Deutschland und in die Schweiz führt, begeht er allerdings mit der Philharmonia Prag unter seinem Vertrauten Jochen Rieder. Nun ist das Handwerk der geschmackvollen Unschärfe, das die Wiener Musik unabdingbar erfordert, aber kein leichtes - und der Beweis, dass es den Philharmonikern so leicht keiner nachmacht, schon nach ein paar Takten erbracht.

Freilich, das noch in tenoralen höhen edeldunkle Kaufmann-Timbre, das den 50-jährigen Deutschen zum Liebling des großen Opern- und feingeistigen Liedfachs gemacht hat, steht dieser vorgeblich leichten Wiener Muse gut zu Gesicht. Da gibt es jene schönen, erstaunlichen Kaufmann-Momente, wo der Flieder "draußen in Sievering" in allen Farben blüht und duftet und Wien richtig innig "schön wird bei Nacht".

Kaufmanns Wechsel ins tiefere Fach vollzieht sich da mit schmeichlerischer Hinterhältigkeit, zu der im Wienerischen immer auch große Eleganz gehört. So richtig in den "Saft, voller Kraft, voller Glut" findet der Opernschwarm allerdings noch nicht bei "Wiener Blut", sondern erst in den - weniger walzerseligen - Wienerliedern der jüngeren Schule: In den vielen Zugaben zwischen "Sag zum Abschied leise Servus" und "Der Tod, das muss ein Wiener sein", da glaubt man ihm die Wien-Begeisterung dann endlich wirklich.

Der "großen Verbundenheit Ausdruck verleihen", wollte schließlich Bürgermeister Ludwig und sich bedanken, dass Kaufmann "unsere Melodien in die Welt hinaustragen wird". Dafür gab's einen Goldenen Rathausmann und natürlich jede Menge verzückten Jubel. Kaufmann punktete auch hier mit Ehrlichkeit "Was hätten Sie denn gemacht, wenn das Konzert kein Erfolg geworden wäre?" Immerhin, verlautete der Superstar mit souveräner Artikulation: "Das war keine g'mahde Wies'n". Dass sich Harald Serafin mit seinen 87 Jahren als Erster zu Standing Ovations erhob, darf deshalb durchaus als Segen von höchster Stelle notiert werden.