APA - Austria Presse Agentur

Ein laaaaaaaaaaanger "Idiot" im Theater an der Wien

Knapp 1.000 Seiten füllt Dostojewskis Roman "Der Idiot". Kein aufgelegter Stoff für die Opernbühne, strebt ein Komponist nicht die Dimension eines "Rings" an. Das stellte 1989 auch Mieczysław Weinberg mit seinem letzten Bühnenwerk unter Beweis. Ungeachtet einer hochkomprimierten Regie von Vasily Barkhatov und dem Weinberg-Experten Thomas Sanderling am Pult bleibt am Ende des knapp vierstündigen Premierenabends im Theater an der Wien primär ein Eindruck zurück: Laaaaaaaaaaang.

Obgleich der 1996 verstorbene und lange vergessene Weinberg und sein Librettist Alexander Medwedew das Mammutwerk stark einkürzen, eignen sich die Dostojewski-Dialogberge dramaturgisch nur begrenzt für eine Oper. Daran gebricht "Der Idiot" leider - im Gegensatz zu Weinbergs Opus magnum "Die Passagierin", deren Aufführung 2012 bei den Bregenzer Festspielen die Wiederentdeckung des Tonsetzers einläutete.

Dabei hätte das Werk durchaus große Qualitäten. Der Schostakowitsch-Freund Weinberg folgt stilistisch dem Kollegen, setzt auf wuchtiges Blech und kantigem Streicherapparat und schafft doch eine hohe Textverständlichkeit. Die etwas monotone Dynamik der ersten Hälfte weicht letztlich einem differenzierterem Klangbild. Den Figuren sind dabei subtile Leitmotive zugeordnet, die in den Beziehungsdreiecken des Stücks Orientierung bieten.

Auch Regisseur Vasily Barkhatov bemüht sich nach Kräften, mit seinem Bühnenbildner Christian Schmidt Dynamik in die Langatmigkeit zu bringen und den Abend komprimiert zu halten. Zentrale Spielfläche ist ein Eisenbahnwaggon auf einer Drehbühne, in dem der titelgebende, reine Tor Fürst Myschkin den Kaufmann Rogoschin kennenlernt und sich zwischen den beiden sowie der Femme fatale Nastassja und der rationaleren Aglaja eine Abhängigkeitsviereck entspinnt.

Der Zug fungiert als Zeitmaschine, Nukleus, aus dem heraus sich die Szenen entwickeln. Regelmäßig kehrt die Inszenierung auf die anfängliche Ausgangssituation zurück, in der Myschkin erwacht und sein Kartenspiel fallen lässt. Und täglich grüßt das Murmeltier mit Weltliteratur. Die Karten werden also jedes Mal neu gemischt, der Zug dreht sich und das Geschehen setzt neu an.

Auch am primär russischen Ensemble scheitert der Abend nicht. Der aus der Staatsoper bestens bekannte Dmitry Golovnin ist mit schnörkellosem Tenor der mit naiven Augen durchs Leben gehende Myschkin, sein Pendant Rogoschin wird vom trotz mächtigen Bassbaritons ganz ins Subtile gehende Dmitry Cheblykov interpretiert. Die ukrainische Sopranistin Ekaterina Sannikova überrascht mit großer Tragfähigkeit als flamboyante Nastassja und trifft sich im Timbre überraschend mit ihrer Gegenspielerin Aglaja, interpretiert von der Litauerin Ieva Prudnikovaitė.

Und schließlich führt der aus Deutschland stammende Maestro Thomas Sanderling - Wahlrusse, Schostakowitsch-Kenner und Dirigent der "Idiot"-Uraufführung 2013 - das RSO routiniert durch den Abend. Ungeachtet all dieser Punkte auf der Habenseite bleibt dennoch am Ende des Abends das Gefühl, dass eben dieses Ende zu lange nicht gefunden wurde.

(S E R V I C E - "Der Idiot" von Mieczysław Weinberg im Theater an der Wien im Museumsquartier, Museumsplatz 1, 1070 Wien. Musikalische Leitung des RSO: Thomas Sanderling, Inszenierung: Vasily Barkhatov, Bühne: Christian Schmidt, Kostüm: Stefanie Seitz, Licht: Alexander Sivaev. Mit Fürst Myschkin - Dmitry Golovnin, Nastassja - Ekaterina Sannikova, Rogoschin - Dmitry Cheblykov, Lebedjew - Petr Sokolov, General Jepantschin - Valery Gilmanov, Jepantschina - Ksenia Vyaznikova, Aglaja - Ieva Prudnikovaitė, Alexandra - Tatjana Schneider, Ganja - Mihails Culpajevs, Totzki - Alexey Dedov, Warwara/Warja - Kamile Bonté. Weitere Aufführungen am 30. April sowie am 3., 5. und 7. Mai. www.theater-wien.at/de/spielplan/67/Der-Idiot)