APA - Austria Presse Agentur

Einzelproteste nach Demonstrationsverbot in Moskau

Wenige Dutzend Anhänger der liberalen Opposition haben in Moskau nach einem Demonstrationsverbot der russischen Behörden mit Einzelprotesten für freie Kommunalwahlen demonstriert. Ein ursprünglich geplanter Protestmarsch war von den russischen Behörden nicht genehmigt worden. An einem genehmigten Protestzug der Kommunistischen Partei beteiligten sich unterdessen am Samstag rund 4.000 Menschen.

Unter scharfer Beobachtung der Polizei stellten sich einzelne Menschen am Samstag an Denkmälern in der Innenstadt für ihren stillen Protest auf, um gegen Justizwillkür in Russland zu demonstrieren. Die Organisatoren unter anderem um den inhaftierten Oppositionsführer Alexej Nawalny hatten wegen des Demonstrationsverbots Mahnwachen angesetzt. Um nicht gegen das Gesetz zu verstoßen, müssen sie einen Mindestabstand von 50 Metern zum nächsten Demonstranten einhalten. Nur ein paar Dutzend Aktivisten folgten dem Aufruf. Die Polizei griff zunächst nicht ein.

Die russische Hauptstadt erlebt seit Wochen Proteste gegen den Ausschluss Dutzender Oppositionskandidaten bei der Stadtratswahl am 8. September. Es war der fünfte Samstag in Folge. Insgesamt wurden seit Mitte Juli etwa 3.000 Oppositionelle verhaftet, darunter der Kreml-Kritiker Nawalny. Er war Ende Juli wegen Aufrufs zu nicht genehmigten Demonstrationen über zu 30 Tagen Haft verurteilt worden.

In mehreren russischen Städten gab es Solidaritätskundgebungen für die Moskauer Proteste. Vor einer Woche kamen auf dem Sacharow-Prospekt in Moskau bis zu 60.000 Menschen zusammen, um für die Zulassung der Kandidaten und gegen Polizeigewalt zu demonstrieren.

Den Platz nutzten am Samstag die im Grunde systemtreuen Kommunisten und andere linke Kräfte, um für freie Wahlen zu demonstrieren. Die Polizei sprach von etwa 4.000 Teilnehmern. Obwohl ihre Kandidaten nicht von der Kommunalwahl ausgeschlossen wurden, hatte Parteichef Gennadi Sjuganow zu einer Demonstration für "ehrliche Wahlen" aufgerufen - allerdings getrennt von den Protesten der liberalen Opposition.

Die Kommunisten werfen der Wahlkommission vor, für die Zulassung kremlfreundlicher Politiker massenhaft Unterschriften gefälscht zu haben. Kandidaten müssen in der Regel Tausende Unterstützungsunterschriften vorlegen, um eine Registrierung zu erhalten. Die meisten Oppositionskandidaten erhielten keine Zulassung zur Wahl, weil sie angeblich nicht genügend gültige Unterschriften vorlegen konnten.

Vor Gericht erhielt zuletzt der gemäßigte Oppositionelle Sergej Mitrochin doch noch seine Zulassung als Kandidat. Auch er beteiligte sich an den Mahnwachen. Er hatte sich seine Zulassung zur Abstimmung mit einem Versuch des Kremls erklärt, die Opposition zu spalten. Er rief zum Zusammenhalt auf.

Der Kreml verteidigte vor einigen Tagen das Vorgehen der Polizei gegen die Regierungsgegner. Das "entschlossene Handeln der Gesetzeshüter" zur Vermeidung von "Unruhen" sei "absolut gerechtfertigt", sagte der Sprecher von Staatschef Wladimir Putin, Dmitri Peskow. Mehrere Länder hatten das Vorgehen der russischen Polizei mit Gewalt und Massenfestnahmen verurteilt, unter ihnen auch Österreich. Außenminister Alexander Schallenberg sprach von unverhältnismäßigem und unvertretbarem Einsatz von Gewalt.

Die Opposition in Moskau wirbt nun für ein "kluges Abstimmungsverhalten", um eine Mehrheit kremltreuer Kräfte im Parlament zu verhindern. Der Oppositionsführer Nawalny hat eine Liste mit entsprechenden Wahlempfehlungen für die Moskauer aufgestellt. Er rief aus seiner Arrestzelle dazu auf, die Liste mit den 45 Namen - so viele Abgeordnete hat das Stadtparlament - zu unterstützen. Unter ihnen sind auch einige regierungskritische Kandidaten. Ziel sei es, das "Machtmonopol" zu zerstören. "Wenn das gelingt, wird diese Bande in allen Stadtteilen verlieren", schrieb er.

Nawalny betonte auch, dass es nach dem "Supererfolg" mit bis zu 60. 000 Demonstranten am vergangenen Samstag in Moskau nicht darum gehe, diese Zahl immer wieder zu toppen. Wichtig sei die Strategie beim Wählen. Zugleich sehen sich die Organisatoren der Protestaktionen mit immer neuen Anschuldigungen konfrontiert. Weil die Demonstranten den Straßenverkehr behindert haben sollen und Veranstaltungen ausfallen mussten, klagen nun etwa die Verkehrsbetriebe auf Schadenersatz. Eine Summe von bis zu 13 Millionen Rubel (rund 176. 000 Euro) steht im Raum.

Dagegen hatten sich auch in sozialen Netzwerken viele Moskauer darüber empört, dass die Polizei mit ihren Gefängniswagen und Metallgittern an vielen Stellen im Zentrum das öffentliche Leben gestört habe. Die Organisation Reporter ohne Grenzen kritisierte in einer Stellungnahme, dass zahlreiche Journalisten festgenommen und so an der freien Berichterstattung gehindert worden seien. Für das kommende Wochenende hat die Stadt eine Massenkundgebung zugelassen.