APA - Austria Presse Agentur

Endgültiger Bruch zwischen Großbritannien und EU vollzogen

Großbritannien hat den endgültigen Bruch mit der Europäischen Union vollzogen. Bereits seit Ende Jänner 2020 war Großbritannien nicht mehr Mitglied der Staatengemeinschaft, seit Mitternacht gehört das Land auch nicht mehr dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion an.

"Dies ist ein großartiger Moment für dieses Land. Wir haben die Freiheit in unseren Händen, und es liegt nun an uns, das Beste daraus zu machen", sagte Premierminister Boris Johnson in seiner Neujahrsansprache.

Großbritannien könne Dinge nun anders machen - "und wenn nötig besser als unsere Freunde in der EU". Das Land könne "Handelsabkommen rund um die Welt" abschließen. Auf eine große Brexit-Jubelfeier musste der Premier coronabedingt jedoch verzichten: Johnson hatte ankündigt, die historische Stunde mit seiner Familie in seinem Amtssitz in der Londoner Downing Street zu verbringen.

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Um 23.00 Uhr (00.00 Uhr MEZ) läutete der Glockenschlag von Big Ben das neue Kapitel in der Geschichte des Landes ein - nach 48 Jahren als Teil der europäischen Staatengemeinschaft.

Mit dem Jahreswechsel endete die elfmonatigen Übergangsphase seit dem EU-Austritt, in der noch weitgehend die gleichen Regeln galten. Zum Jahreswechsel wird damit auch die wirtschaftliche Scheidung vollzogen.

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Johnsons Euphorie und die der Brexit-Anhänger teilte der EU-Chefunterhändler Michel Barnier nicht: "Niemand konnte mit den Mehrwert des Brexit aufzeigen, nicht einmal Herr Farage", sagte Barnier dem Radiosender RTL mit Blick auf den Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage. "Es ist eine Scheidung, man kann eine Scheidung nicht feiern."

Großbritannien war zum 1. Februar als erstes Land in der Geschichte der europäischen Staatengemeinschaft aus der EU ausgetreten. Damals feierten die "Brexiteers" den EU-Austritt auf den Straßen, während die Gegner des Brexit Mahnwachen abhielten und Kerzen anzündeten. In diesem Jahr sind wegen der Corona-Pandemie keine öffentlichen Veranstaltungen geplant.

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Das britische Parlament hatte das von Johnson vorgelegte Ratifizierungsgesetz kurz vor dem Jahreswechsel binnen weniger Stunden durchgewunken. Staatsoberhaupt Königin Elizabeth II. stimmte dem Gesetz mit ihrem "Royal Assent" zu. Zu Silvester wurde das Vertragswerk dann auch offiziell im Gesetzblatt der EU veröffentlicht.

Damit könne es wie geplant vorläufig ab 1. Jänner 2021 angewendet werden, teilte ein Sprecher der deutschen EU-Ratspräsidentschaft mit. "Ein No Deal wurde abgewendet, gerade noch rechtzeitig", twitterte er. Auf EU-Seite reichte die Zeit zur Ratifizierung im Europaparlament nicht. Sie soll im Frühjahr folgen.

Das in letzter Minute mit der EU ausgehandelte Handels- und Partnerschaftsabkommen soll nun einen harten Bruch vermeiden. Wichtigster Punkt ist, dass im Warenhandel auch künftig keine Zölle und Mengenbeschränkungen gelten. Zudem regelt der knapp 1.250 Seiten starke Vertrag viele weitere Themen, darunter Fischfang und Zusammenarbeit bei Energie, Transport, Justiz, Polizei. In mehreren Bereichen bleibt Großbritannien weiter an europäische Standards gebunden.

Wenige Stunden vor dem endgültigen Vollzug des Brexit wurden am Donnerstag auch die letzten Stolpersteine aus dem Weg geräumt: Die Regierungen in London und Madrid erzielten eine Grundsatzeinigung über die künftigen Regeln für Gibraltar. Für die britische Exklave sollen künftig die Bestimmungen des Schengen-Abkommens gelten.

Die Regeln für den Grenzverkehr für die britische Exklave Gibraltar im Süden Spaniens waren bis zuletzt umstritten. Indem nun die Regeln des Schengen-Raums gelten sollen, sind Grenzübertritte ohne Passkontrolle weiterhin möglich. Ohne die Einigung wäre die Grenze zwischen Gibraltar und Spanien ab Freitag zu einer "harten Grenze" zwischen Großbritannien und der EU geworden.

Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon stellte unterdessen eine Rückkehr ihres Landesteils nach Europa in Aussicht. "Schottland kommt bald wieder, Europa", schrieb sie in der Silvesternacht auf Twitter. "Lasst das Licht an." Im Brexit-Referendum hatte eine Mehrheit der Schotten für den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU gestimmt. Seitdem ist die Zustimmung für eine Unabhängigkeit von Großbritannien gestiegen. Sturgeon hat sich für ein neues entsprechendes Referendum im neuen Jahr ausgesprochen.