APA - Austria Presse Agentur

ERC vergibt zwölf "Advanced Grants" an ForscherInnen in Österreich

Der Europäische Forschungsrat hat zwölf "Advanced Grants" an in Österreich tätige ForscherInnen vergeben, wie er nun bekannt gab.

Die jeweils mit bis zu 2,5 Mio. Euro dotierten Förderpreise sollen den PreisträgerInnen ermöglichen, anspruchsvolle und risikoreiche Projekte durchzuführen. Auffallend viele der PreisträgerInnen erhalten bereits zum zweiten Mal die hochdotierte Förderung.

Die "Advanced Grants" stellen das "Flaggschiff-Programm" des ERC dar, mit dem die EU Grundlagenforschung fördert. In Summe wurden in der aktuellen Runde 209 Wissenschafter mit 507 Mio. Euro gefördert, 2.678 ForscherInnen hatten einen Antrag gestellt, nicht einmal acht Prozent erhielten den Zuschlag. Die meisten Förderpreise gehen an Forscher in Großbritannien (51), Deutschland (40), Frankreich (22) und den Niederlanden (17).

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Universität Wien unter GewinnerInnen

Drei der hochdotierten Förderpreise gehen an WissenschafterInnen des Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneuburg (NÖ): Der InformatikerInnen und IST-Präsident Thomas Henzinger erhält einen "Advanced Grant" – es ist sein zweiter – für die Entwicklung theoretischer Grundlagen für die Überwachung kritischer Software von anderer, unabhängig entwickelter Software, um Schwachstellen, Fehler und unfaire Entscheidungen so früh wie möglich zu erkennen. Diese Überprüfung soll in Echtzeit geschehen, während die überwachte Software ausgeführt wird.

Das ehrgeizige Ziel, das Geheimnis des Energietransfers in den Zellkraftwerken (Mitochondrien) zu lüften, hat sich der Biologe Leonid Sazanov gesetzt. In seinem ERC-Projekt will er mithilfe der kryogenen Elektronenmikroskopie am IST Strukturen und Funktionsweisen der am wenigsten verstandenen Membranproteinkomplexe in der biochemischen Kette der Atmung untersuchen. Am IST will zudem der Mathematiker László Erdős mit seinem – bereits zweiten –
"Advanced Grant" eine wegweisende Idee des Physik-Nobelpreisträgers Eugene Wigner (1902-1995) aus den 1950er Jahren mathematisch ausarbeiten und herausfinden, wie man dessen Zufallsmatrixtheorie auf realistischere physikalische Modelle erweitern kann.

Zwei "Advanced Grants" erhalten WissenschafterInnen der Universität Wien: Für die Informatikerin Monika Henzinger, Leiterin der Forschungsgruppe Theorie und Anwendungen von Algorithmen an der Uni Wien, ist es bereits der zweite derartige Förderpreis. In ihrem Projekt geht es um den Schutz der Privatsphäre beim Zugriff auf Daten, die mit anderen Daten in Verbindung stehen. Henzinger will Techniken entwickeln, die es erlauben, Informationen in dynamischen Datenbanken abzufragen, wie z.B. die Anzahl der von einem Ereignis betroffenen Personen, ohne dass dabei Informationen über eine einzelne Person preisgegeben werden.

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Der Arabist Stephan Procházka vom Institut für Orientalistik der Uni Wien will in seinem ERC-Projekt die Rolle der Beduinen für die Sprachentwicklung des Arabischen erforschen. Die Dialektlandschaft des Arabischen mit seinen zahlreichen lokalen Dialekten lässt sich nur unter Einbeziehung der zahlreichen nomadisch lebenden Gemeinschaften erklären, die durch ihre hohe Mobilität ganz maßgeblich zur sprachlichen Dynamik beigetragen haben.

Für Forschungen zu neuartigen Materiezuständen wie Suprafluidität in ultrakalten Quantengasen erhält der Quantenphysiker Rudolf Grimm vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) einen "Advanced Grant". Um solche Zustände zu erforschen, nutzt er einen neuen von ihm entwickelten experimentellen Ansatz: ein stabiles, stark wechselwirkendes Fermionengemisch aus Elementen unterschiedlicher Masse.

Der Zellbiologe Daniel Gerlich vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der ÖAW wird sich in seinem ERC-Projekt einem grundlegenden, aber weitgehend vernachlässigten Aspekt der Chromosomenbiologie widmen. Mithilfe neuer Markierungsmethoden und DNA-Sequenzierung will er untersuchen, wie bei der Zellteilung nach dem Kopieren der Erbinformation die zwei Schwesterchromatiden angeordnet sind und welche Rolle der Verpackungsvorgang der DNA bei der Zellteilung spielt.

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Ein "Advanced Grant" geht an den Mathematiker Ansgar Jüngel vom Institut für Analysis und Scientific Computing der Technischen Universität (TU) Wien. Er möchte in seinem Projekt mathematische Methoden entwickeln, um Netzwerkstrukturen besser zu verstehen. Dabei geht es etwa um das Verhalten einzelner Nervenzellen, das man auf physikalischer Ebene beschreiben kann, aber auch um die Gesetze ihres Zusammenspiels. Die Natur könnte dabei Vorbild für ähnliche Netzwerke aus elektronischen Bauteilen sein.

Der Historiker und Leiter des Zentrums für Informationsmodellierung der Universität Graz, Georg Vogeler, bekommt einen "Advanced Grant" für ein Projekt, in dem er ein System Künstlicher Intelligenz (KI) entwickeln will, um digitalisierte historische Dokumente besser erforschen zu können. Weil etablierte Methoden nicht mehr ausreichen, um die große Zahl der Urkunden, die seit dem 13. Jahrhundert in Europa entstanden sind, zu analysieren, erwartet er durch den Einsatz von KI neue Aufschlüsse über gesamteuropäische Entwicklungen, Trends und Brüche.

Seine Forschungen zur Vererbung von Fettleibigkeit kann Tibor Harkany, Leiter der Abteilung für Molekulare Neurowissenschaften am Zentrum für Hirnforschung der Medizinischen Universität Wien mit einem - bereits zweiten - "Advanced Grant" vorantreiben. In seinem neuen Projekt will er im Mausmodell untersuchen, ob Adipositas der Mütter während der Schwangerschaft dauerhafte molekulare Veränderungen in den Nervenzellen des Hypothalamus der Kinder hervorruft und es bei ihnen dadurch zu einer Störungen der Stoffwechselkontrolle kommt.

Der Chef des Forschungsinstituts für Molekulare Pathologie (IMP) Jan-Michael Peters will seinen - ebenfalls bereits zweiten - "Advanced Grant" für die Erforschung von Mechanismen zur DNA-Faltung nutzen. Für die Faltung des schnurförmigen Erbguts in Schleifen spielt der vor mehr als 20 Jahren am IMP entdeckte ringförmige Proteinkomplex Cohesin als "molekularer Motor" eine entscheidende Rolle und Peters will die grundlegendsten Fragen zu diesem Prozess untersuchen.

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Ebenso bereits seinen zweiten "Advanced Grant" erhält der Informatiker Gerhard Widmer, Leiter des Instituts für Computational Perception an der Universität Linz. Er will in seinem Projekt Computermodelle der Musikerzeugung ("Komposition"), der Musikinterpretation sowie des musikalischen "Hörens" erforschen. Diese Modelle sollen alle diese Fertigkeiten auf einem Qualitätsniveau nachbilden, mit dem seriöse Anwendungen im Bereich der Musikforschung und der Musikdidaktik möglich werden.