APA - Austria Presse Agentur

Erdogan über EU: "Haben uns über 50 Jahre kriechen lassen"

Der türkische Präsident Tayyip Recep Erdogan hat scharfe Worte gegen die Europäische Union gerichtet.

Gleichzeitig dankte Erdogan bei der Verleihung eines Ordens durch den usbekischen Präsidenten Schawkat Mirsijojew demonstrativ dem rechtspopulistischen ungarischen Premierminister Viktor Orban "für die Brücke, die er zwischen Europa und der türkischen Welt gebaut hat". Weiters präzisierte der türkische Präsident: "Als käme er aus denselben Wurzeln, kämpft Orban für die Demokratie in der Europäischen Union, und deshalb gratuliere ich ihm."

Die Türkei ist seit 1963 mit der EU oder deren Vorläufer-Organisationen über ein Assoziierungsabkommen verbunden. Seit 1995 gibt es auch eine Zollunion zwischen beiden Seiten. Zudem ist die Türkei seit 1999 auch EU-Beitrittskandidat. Die diesbezüglichen Gespräche wurden aber wegen der Massenverhaftungen nach einem gescheiterten Militärputsch von 2016 in der Türkei de facto ausgesetzt. Angesichts der aus EU-Sicht unbefriedigenden Situation von Rechtsstaatlichkeit, fortwährenden Menschenrechtsverletzungen und der Zypernproblematik stehen die Aussichten auf einen Beitritt aktuell schlecht. Es gilt als unwahrscheinlich, dass die Türkei eine Vollmitgliedschaft erlangen wird. Auch Erdogan zeigte zuletzt weniger Ambitionen. Österreich stand insbesondere während der Kanzlerschaften von Sebastian Kurz (ÖVP) einem möglichen EU-Beitritt der Türkei skeptisch bis ablehnend gegenüber.

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Nordzypern als Bobachter aufgenommen

Erdogan verkündete in Samarkand auch, dass Nordzypern als Beobachter in die Organisation aufgenommen worden sei. "In Übereinstimmung mit dem Gesetz der Brüderlichkeit haben wir diesen Staat als Beobachter in die Organisation der Türkischsprachigen Staaten aufgenommen", wurde er in Medien zitiert.

"Wir haben unseren zypriotischen Brüdern und Schwestern, die ein integraler Bestandteil der türkischen Welt sind, gezeigt, dass sie nicht allein sind, Ich möchte jedem einzelnen von Ihnen, meinen verehrten Brüdern und Schwestern, für Ihre Solidarität danken."

Zypern ist nach einem griechischen Militärputsch und einer türkischen Militärinvasion im Jahr 1974 in einen größeren griechisch-zypriotischen Teil im Süden und einen türkisch-zypriotischen Teil im Norden geteilt. Die "Türkischen Republik Nordzypern" wird weltweit nur von der Türkei anerkannt.

Griechenlands Außenminister Nikos Dendias richtete seinerseits in einem Interview mit der Sonntagszeitung "Eleftheros Typos" neue Botschaften an Ankara und stellte klar, dass die nationale Souveränität und territoriale Integrität Griechenlands nicht in Frage gestellt werden dürften. Bezüglich des Streits mit der Türkei betonte er, dass es keinen Dialog zwischen Athen und Ankara geben könne, solange das Nachbarland "Mobbing" und "Bullying" betreibe. "Ich möchte hinzufügen, dass es sich hier nicht nur um einen Versuch handelt, die griechische Gesellschaft und die Regierung einzuschüchtern, sondern im Wesentlichen um einen Versuch der türkischen Seite, ein neues Modell der bilateralen und regionalen Beziehungen zu formulieren und durchzusetzen, das jedoch mit dem Begriff der guten Nachbarschaft und der Achtung der Grundprinzipien des Völkerrechts unvereinbar ist", sagte Dendias.

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Der Politiker der konservativen Nea Dimokratioa (ND) hielt aber auch fest, dass sein Land die Absicht habe, seine Hoheitsgewässer zu erweitern, wenn dies im nationalen Interesse liege. "Angesichts dieser eskalierenden Bedrohungslage hat sich unser Land entschieden, den fundierten Argumenten, die auf dem Völkerrecht und dem internationalen Seerecht beruhen, mit Ruhe und Entschlossenheit entgegenzutreten."

Die Beziehungen der beiden Nachbarländer und NATO-Mitglieder sind bereits seit längerer Zeit extrem angespannt. Neben Streitigkeiten um Erdgasvorkommen in der Ägäis ist Ankara aktuell die Militarisierung griechischer Inseln wie Lesbos und Samos ein Dorn im Auge. Internationale Verträge von 1923 und 1947 bestimmen, dass die Inseln demilitarisiert sein sollen. Griechenland hat dort allerdings bereits seit Beginn des Zypernkonflikts im Jahr 1974 Militär stationiert - zur Selbstverteidigung, wie Athen betont, weil die Türkei an ihrer Westküste die größte Landungsflotte Europas unterhalte. Athen wirft der Türkei vor, sie wolle die Souveränität Griechenlands über die Inseln in Frage stellen.

Ungelöst bleibt zudem ein Streit um Erdgas unter dem Meeresboden, in den auch Zypern verwickelt ist. Ganz zu schweigen vom Streit über Flüchtlinge, die weiterhin zu Tausenden versuchen über das Mittelmeer von der Türkei nach Europa zu kommen.