Erste "Elefantenrunde" als Start zu zahlreichen TV-Debatten

Die EU Wahl findet am 9. Juni statt
Mit der ersten "Elefantenrunde" ist am Donnerstagabend der Reigen der TV-Konfrontationen zur EU-Wahl am 9. Juni eingeläutet worden.

Die fünf Spitzenkandidaten der im Parlament vertretenen Fraktionen lieferten sich in der von den Privatsendern Puls24 und krone.tv abgehaltenen Diskussionssendung einen Schlagabtausch über die bekannten Positionen - von Klima über Migration und bis hin zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der österreichischen Neutralität.

Ganz zu Beginn wurde freilich auch das aktuelle Thema der erst am Vortag via Tageszeitung "Standard" bekannt gewordenen Vorwürfe gegen die Grüne Spitzenkandidatin Lena Schilling angeschnitten, die deren Privatleben betreffen und mit Verweis auf anonyme Quellen ein ungünstiges Charakterbild zeichnen. Während Schilling erneut mehr betonte, dass es sich um ihr Privatleben handle und es "nicht zielführend" sei, weiter über "Gerüchte und Behauptungen" zu sprechen, betonten die übrigen Diskutanten, dies sei Sache der Grünen.

ÖVP-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka sagte, er wolle inhaltlich überhaupt nicht darauf eingehen. "Das ist ausschließlich Aufgabe der Grünen, wie sie mit diesen schweren Vorwürfen umgehen." Ähnlich äußerte sich SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder: Schilling habe sich dazu zu erklären, ihn gehe das nichts an, und es interessiere ihn auch nicht. Auch NEOS-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter meinte, sein Eindruck sei, dass es sich um ein interne Sache der Grünen handle. "Das geht mich nichts an." FPÖ-Kandidat Harald Vilimsky sprang Schilling als einziger bei: Die Sache stinke "gewaltig", die Vorwürfe hätten überhaupt nichts mit Politik zu tun. Seine Partei kenne das, dass kurz vor Wahlen "Geschichten hochgefahren" würden. "Insofern möchte ich mich auch ein bisschen schützend vor sie stellen."

Inhaltlich untermauerten die Diskutanten die bekannten Positionen. Zum Ukraine-Krieg stimmten alle darin überein, dass Russlands Machthaber Wladimir Putin der Aggressor ist. "Klar ist Putin der Aggressor", sagte auch FPÖ-Kandidat Vilimsky, wenngleich er auch kurz auf Fehler des Westens verwies. Der Freiheitliche plädierte vor allem für eine starke Vermittlerrolle Österreichs, das sich als UNO-Standort aktiv anbieten sollte; die EU solle sich "endlich als Friedensplattform" anbieten.

Lopatka erinnerte Vilimsky postwendend an die Plakatkampagne der FPÖ, mit Fotos von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, auf dem es aussieht, als würden sich die beiden küssen - daneben der Schriftzug "Kriegstreiberei". "Das ist der Wahnsinn, was sie hier machen", warf der ÖVP-Politiker seinem blauen Gegenüber vor, vielmehr die Ukraine oder die EU als Kriegstreiber anzusehen denn Moskau. Man könne sofort Frieden haben, nämlich dann, wenn Putin den Krieg beende. "Wenn die Ukraine aufhört, dann gibt es die Ukraine nicht mehr."

Ähnlich argumentierte Schieder: "Es gibt keinen Frieden auf Kosten der Freiheit", unterstrich der SPÖ-Kandidat, Putin habe dies in der Hand. Und er erinnerte auch an Russland-Kontakte der FPÖ, etwa an den "Freundschaftsvertrag" zwischen den Freiheitlichen und Putins Partei "Einiges Russland", den die FPÖ mittlerweile als ausgelaufen bezeichnet.

Wie Schieder bezeichnete auch Schilling den Krieg als "Katastrophe". Fakt sei: "Wenn Russland aufhört zu kämpfen, ist der Krieg vorbei, wenn die Ukraine aufhört, zu kämpfen, ist die Ukraine vorbei. Deshalb muss man sich verteidigen", so die Grüne Kandidatin. Auch sie verwies auf Verbindungen rechter Parteien in Europa nach Russland und den FPÖ-"Freundschaftsvertrag".

In diese Kerbe schlug auch NEOS-Kandidat Brandstätter, der an parlamentarische Anträge der FPÖ in der Vergangenheit erinnerte, die sich gegen die Russland auferlegten Sanktionen richteten. Auch verwies er darauf, dass FPÖ-EU-Abgeordneter Roman Haider gesagt hätte, Putin wolle nur die russischen Teile der Ukraine. "Es gibt keine russischen Teile der Ukraine", so der pinke Abgeordnete. Mit dieser Aussage gebärde sich die FPÖ als "Unterstützerin von Kriegsverbrechen".

Weitgehend Einigkeit bestand betreffend der Neutralität. Lediglich Brandstätter wich hier etwas ab: Man müsse "das weiterentwickeln", sagte er, ohne konkret zu werden. Europa könne sich nur gemeinsam verteidigen, betonte er.

Die bekannten Fronten zeigten sich auch beim Thema Migration. Während Vilimsky zu einem vorgelegten Foto eines Bootes mit Flüchtlingen die Assoziation "Invasion" einfiel: "Wir sehen junge Männer, keine Frauen, keine Gebrechlichen, keine Verwundeten", erinnerte Lopatka an die ÖVP-Forderung nach DNA-Tests bei Familiennachzug und einem "robusten Außengrenzschutz.

Schieder plädierte für eine gemeinsame Vorgangsweise in der EU, gemeinsamen Außengrenzschutz und schnellere Asylverfahren. Europa müsse gemeinsam Rückkehrabkommen mit den Herkunftsländern schaffen. Schilling betonte, man müsse die Menschenrechte hochhalten. Die Politik des "Sterbenlassens" der Flüchtlinge im Mittelmeer müsse man hinter sich lassen. Es brauche schnelle, faire Verfahren und einen Verteilungsschlüssel in der EU, an den sich alle halten. Auch Brandstätter sagte, die Würde des Menschen sei unantastbar und er plädierte ebenfalls für starke Außengrenzen und ein Abwickeln der Asylverfahren an ebendiesen.

Beim Klimathema pochte Lopatka auf der ÖVP-Forderung, die Verbrennertechnologie im Automobilbau weiter zu verfolgen. Auch verwies er darauf, dass beim CO2-Ausstoß andere Staaten, etwa China, deutlich vor den europäischen Staaten liegen würden. Man müsse etwas tun - gemeinsam mit der Wirtschaft, "aber nicht moralisierend", sondern mit "Hausverstand".

Schilling konnte dem wenig abgewinnen: Für sie sage man mit dieser Einstellung die Klimaziele schon ab, bevor man sie erreicht habe. Die EU könne sehr wohl etwas tun, verwies sie etwa auf das Lieferkettengesetz. Auf sein Motto "Europa first, statt Made in China" setzte Schieder: Es gelte, in den Standort zu investieren - es gäbe bereits jetzt "tolle Projekte" in Österreich, etwa "biologische Batterien" oder Solarkraftwerke, die auch für Biodiversität sorgen können. Die türkis-grüne Bundesregierung kritisierte er dafür, dass Österreich der EU-Kommission noch keinen Klimaplan vorgelegt hat.

Vilimsky warnte, dass der Umstieg auf die Elektromobilität eine "Atomgefahr" mit sich bringen würde, denn der Energiebedarf wäre nur mehr über Atomkraftwerke sicherzustellen - was von Schilling postwendend zurückgewiesen wurde. Brandstätter wiederum verwies auch bei diesem Thema auf das Gemeinsame: Man müsse Energie europaweit gemeinsam erzeugen und einkaufen - gegen Atomkraftwerke sprach auch er sich aus.

Gut vier Wochen vor dem Wahltermin ist mit der ersten "Elefantenrunde" der Wahlkampf nun wohl endgültig in die intensive Phase gestartet. Nicht geladen waren der EU-Spitzenkandidat und die EU-Spitzenkandidatin der beiden derzeit nicht im Parlament vertretenen Parteien KPÖ sowie der Liste DNA. Der Auftaktrunde vom Mittwoch folgen bis zum 9. Juni einige weitere: Eine zweite große TV-Runde, organisiert von der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), mit allen vier Spitzenkandidaten und der Spitzenkandidatin wird ebenfalls von Puls24 übertragen - und zwar am 14. Mai. Eine weitere "Elefantenrunde" gibt es dann auf Puls24 am 2. Juni.

Im ORF kommt es in der Woche vor der Wahl - am 5. Juni - zur Elefantenrunde. Daneben werden die Politiker in zahlreichen Zweierduellen aufeinandertreffen.

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