APA - Austria Presse Agentur

Erzähler, Lyriker und Hörspielautor Peter Rosei ist 75

"Entwurf für eine Welt ohne Menschen" hieß Mitte der 1970er eines seiner ersten Bücher, "Das Märchen vom Glück" vor wenigen Wochen sein bisher letztes. Glücksversprechen und Romantizismen sind seine Sache nicht. Seine Protagonisten gewinnen selten den Jackpot in der Lebens-Lotterie - und wenn, zahlen sie am Ende tüchtig drauf. Am heutigen Donnerstag feiert der Wiener Erzähler, Lyriker, Essayist und Hörspielautor Peter Rosei seinen 75. Geburtstag.

"Rosei schafft zeitgenössische Literatur, deren ästhetische Qualität und sprachliche Ausdifferenziertheit ihn zu einem bedeutenden Vertreter zeitgenössischer Literatur im deutschsprachigen Raum macht", würdigte der damalige Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) den Dichter 2016 bei der Verleihung des Großen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik. Rund 50 Bücher sind von dem sensiblen Seismografen gesellschaftlicher Verwerfungen erschienen. "Die Literaturgeschichtsschreiber tun sich mit Rosei schwer, weil er nicht einzuordnen ist", meinte einmal der Literaturwissenschafter Thomas Rothschild. Und Rosei tut alles dazu, dass es dabei bleibt: Sein personen- und schauplatzreicher Roman "Karst" (2018) spielte in Italien, Slowenien, Ungarn, der Slowakei und Österreich, "Die große Straße" (2019) versammelte Aufzeichnungen des passionierten Reisenden, dessen Vorlass 2010 durch die Wienbibliothek im Rathaus erworben wurde.

"Ich stamme aus einer anderen Zeit und bin ein Überbleibsel. Weil ich schon so lange da bin, kann ich es mir leisten zu machen, was ich will. Wichtig ist, seinem eigenen Projekt treu zu bleiben", sagt er in einem aktuellen "Falter"-Interview. "Kann schon sein, dass man ein paar Jahre oben schwimmt. Ich war sehr erfolgreich, dann weniger, dann schon wieder. Das hat mich nicht sehr beeinflusst. Ich war auch nie ehrgeizig."

Peter Rosei wurde am 17. Juni 1946 als Sohn eines Eisenbahnbeamten und einer Geschäftsfrau in Wien geboren. Er besuchte das Gymnasium, bestand die Matura mit Auszeichnung und studierte in seiner Heimatstadt in nur viereinhalb Jahren Rechtswissenschaften - während dieser Zeit versuchte er sich auch an seinem ersten Roman. Drei Wochen nach der Promotion im Jahr 1968 heiratete Rosei, kurz darauf musste er einrücken. In den neun Monaten beim Militär überlegte er, was er aus seinem Leben machen solle - doch natürlich sei bei seinen Überlegungen nichts herausgekommen, behauptet Rosei in seinem "Lebenslauf". Doch die zwei Jahre, die er nach dem Militär als Sekretär beim Maler Ernst Fuchs verbrachte, hätten ihn sehr geprägt. "Ich verdanke ihm, dass ich die Gesellschaft wirklich kennengelernt habe, was mir bei meinen Romanen bis heute nützt, um eine gesellschaftliche Totalität zu erreichen", erinnert er sich im "Falter". "Kreisky, Schwarzenberg, Batliner, Mautner-Markhof, das waren die Kunden. Ich hatte mir die Kunst als etwas Hehres vorgestellt. In den zwei Jahren habe ich gelernt, dass das ein brutaler Markt ist."

1972 gab er seine Stelle als Geschäftsführer eines Verlags auf und wurde freier Schriftsteller. Im selben Jahr erschien sein Debüt, der Erzählband "Landstriche", in dem brutale Einzelgänger plündernd und mordend durch unwirtliche Gegenden ziehen. 1973 kam das Buch "Bei schwebendem Verfahren" heraus. Die frühe Prosa Roseis - Parabeln in der Tradition Kafkas - ist von lähmender Hoffnungslosigkeit dominiert. In "Entwurf für eine Welt ohne Menschen" (1975) schildert der Autor seine Vision eines selbstvergessenen Schauens, bei dem sich der Beobachter während der Betrachtung auflöst. Um das Thema Identität kreisen auch die Aufzeichnungen des Ich-Erzählers in dem Roman "Wer war Edgar Allan" (1977), der durch Michael Haneke verfilmt wurde.

In den 80er-Jahren übte der Autor in seinen Romanen zunehmend Gesellschaftskritik, so in "Die Milchstraße. Sieben Bücher" (1981) und in "15.000 Seelen" (1985). Zu seinen weiteren Büchern zählen unter anderem "Der Fluß der Gedanken durch den Kopf. Logbücher" (1976), "Das schnelle Glück" (1980), "Mann & Frau" (1984), "Die Wolken" (1986), "Rebus" (1990), "Persona" (1995), "Viel früher. Gedichte." (1998), "Album von der traurigen und glücksstrahlenden Reise" (2002), "Wien Metropolis" (2005) und "Das große Töten" (2009). In dem Roman ließ er zwei unscheinbare Lebensgeschichten in einen Amoklauf münden. Wer das Buch nach dem Massaker auf der norwegischen Ferieninsel Utöya las, dem kam das Gruseln. "Damals hat sich kein Mensch dafür interessiert", sagt Rosei. Er habe auch schon 2006 in "Briefe aus Amerika" darauf hingewiesen, dass sich eine größere Wirtschaftskrise anbahne.

"Normalerweise beschäftigt sich ein Dichter ja nicht mit Geld. Mir war aber immer klar, dass ich die Gesellschaft nicht verstehen kann, wenn ich die ökonomische Folie nicht mit bedenke", so Rosei einmal in einem APA-Interview. In dem Roman "Geld!" (2011) schilderte er die Vorgeschichte des großen Knalls als Gesellschaftsroman und beschrieb, wie in einer Zeit des grenzenlosen Vertrauens in die Macht des Marktes die Gier Einzug hielt. In"Madame Stern" (2013) gab er ein Sittenbild aus unheilvollen Verflechtungen von Wirtschaft, Kultur und Politik, Aufstiegswillen und Absturzgefahr, in "Die Globalisten" (2014) ließ er verkrachte Literaten, dümmliche Finanziers und dunkle Hintermänner an einem geheimnisvollen Filmprojekt arbeiten.

Rosei, der neben einem Wiener Wohnsitz auch ein Refugium im Hügelland an der burgenländisch-ungarischen Grenze besitzt, hat für sein Werk zahlreiche Auszeichnungen erhalten - unter anderem den Rauriser Literaturpreis (1973), den Anton-Wildgans-Preis (2000) und das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse (2007). Bei der Überreichung des Goldenen Verdienstzeichens des Landes Wien (2007) rühmte Kurt Neumann Roseis "Kühnheit einer illusionslosen Erkenntnisarbeit" und die präzise Beobachtungsgabe, mit der dieser "unaufgeregte und fundierte makroökonomische wie gesellschaftliche Analysen" vorlege.

Genau das sei aber auch der Grund, warum seinen Bücher nie Bestseller-Status beschieden sei, glaubt Rosei: "Ich schreibe keine Literatur-Literatur. Ich möchte wissen, was hier vorgeht", so der Autor 2011 zur APA. "Jemand, der sich hauptsächlich damit beschäftigt, die Verfasstheiten darzustellen, in denen sich die Leute befinden, stößt nicht auf viel Gegenliebe. Die meisten Leute ziehen es lieber vor, das nicht so genau zu wissen."