Ethiker für ehrliche Aufklärung abseits des "Babyelefanten"
Die erste politische Reaktion auf die Corona-Pandemie im Frühjahr in Österreich könne man auch in der Rückschau als großteils positiv ansehen. Angesichts der dürftigen Informationen zum Virus und seiner Verbreitung müsse man mit den Akteuren ein Stück weit "gnädig umgehen", so der Vorstand des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin der Universität Wien. Der politische Druck sei ja auch immer noch enorm.
Sehe man sich aber das Hin und Her um Lockdowns, Massentests oder verunglückte Verordnungen und Gesetze seit dem Sommer an, sei es auch nicht verwunderlich, dass Eigenverantwortung vielfach vor allem dahingehend gelebt wird, einen persönlichen Schlupfwinkel im sich ständig ändernden Vorgabendschungel zu finden, "anstatt sich zu überlegen, welche Intention eigentlich dahinter steht".
Dass weite Teile der Regierung noch immer nicht eingestehen können, dass spätestens ab dem Sommer mit seinen Vorboten einer zweiten Welle auch Fehler gemacht wurden, sei der Stimmung nicht zuträglich. Die Abwesenheit einer Fehlerkultur, die überschießende "Message Control" in Teilen der Politik und der abweisende Umgang mit Kritik öffne auch extremen, "eigentlich unverfrorenen" Polemisierern aus dem rechten politischen Spektrum so manche Tür für Agitation gegen bestimmte Gesellschaftsgruppen, Stimmungsmache gegen Impfungen und Beförderung von Testskepsis.
Über Sinn und Unsinn von derart abgewickelten Massentests und mehr oder weniger sanftem Zwang zum Testen und Impfen lasse sich zwar streiten. Der Ethiker blickt aber angesichts der "dramatisch gestiegenen Zahlen an Toten bedrückt und auch empört" auf Aussagen von FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl zu "Test-Apartheid" und "Impf-Apartheid".
Körtner glaubt trotz all der Corona-Müdigkeit bis hin zur Leugnung und Verschwörungstheorien an eine Chance zum breiten, konstruktiven Umgang mit der Krise über das Vehikel der Eigenverantwortung. "Ich empfinde es als wichtige Aufgabe der Politik, mit guten Argumenten die Eigenverantwortung der Bevölkerung zu stärken und nicht auch den letzten Rest davon zu begraben", betonte Körtner. Der am Anfang sicher "nett gemeinte", immer noch omnipräsente Babyelefant "ist im Grunde eine Infantilisierung" und erzeuge mittlerweile auch viel Abneigung. "Ich denke, hier ist auch kommunikationstechnisch in den letzten Monaten etliches schlecht gelaufen." Es brauche hier weniger Bevormundung, sondern stimmige Botschaften.
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