APA - Austria Presse Agentur

Das EU-Parlament erhöht Druck in Post-Brexit-Verhandlungen

Angesichts fehlender Fortschritte in den Verhandlungen über die künftigen Beziehungen nach dem Brexit erhöht das EU-Parlament den Druck auf Großbritanniens Premierminister Boris Johnson. Die Ausschüsse für Außenbeziehungen und Handel wollen dazu am Freitagnachmittag einen Bericht zu den Post-Brexit-Gesprächen verabschieden.

In ihm drohen die Abgeordneten der Regierung in London mit einem Veto gegen ein Handelsabkommen, wenn sie nicht die Einhaltung von EU-Standards und ein Abkommen zur Fischerei akzeptiert. Es gebe "klare rote Linien", erklärte die konservative EVP-Fraktion am Freitag vor der um 16.00 Uhr geplanten Ausschussabstimmung. "Um weiter mit der EU frei Handel zu treiben, muss das Vereinigte Königreich EU-Regen und Standards akzeptieren."

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"Großbritannien muss sich an die getroffenen Vereinbarungen halten", fordert ÖVP-Europaabgeordneter Othmar Karas in einer Aussendung am Freitag, und wirft London vor, die Gespräche zu verweigern oder zu verschleppen. In mehreren Bereichen in der Außenpolitik, der Verteidigung und Entwicklungspolitik "gehe wenig bis gar nichts weiter". Noch sei es "für die Briten möglich, zu einer redlichen, ehrlichen und ernsthaften Verhandlungsführung zurückzukehren. Doch die Zeit läuft, und die EU darf sich weder zeitlich noch inhaltlich erpressen lassen", warnte Karas.

SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder kritisiert in einer Aussendung am Freitag, die "britische Regierung unter Boris Johnson fährt ihren verantwortungslosen Kurs unbeirrt weiter". Britische Verhandler, so auch das Mitglied des außenpolitischen Ausschuss des EU-Parlaments, "lassen bereits getroffene Vereinbarungen platzen und blockieren jeden Fortschritt". Das tut Großbritannien laut Schieder "vor allem im Bereich der Sozial-, Umwelt- und Verbraucherstandards". Es zeige, dass Johnson die "Interessen der großen Mehrheit ... egal" seien.

"Die Erwartung Großbritanniens, die Vorteile eines Mitgliedstaates zu behalten, ohne Verpflichtungen (...) einzugehen, ist einfach nicht realistisch", erklärte die sozialdemokratische Abgeordnete Kati Piri. Johnson habe der EU Ende vergangenen Jahres "fairen Wettbewerb mit klarem Sozial-, Umwelt- und Arbeitsschutz" zugesagt. Er müsse sich nun daran halten.

Nach der Abstimmung in den Parlamentsausschüssen wird das Plenum über den Bericht am Mittwoch beraten und am Donnerstag darüber abstimmen. London müsse seine Verhandlungsposition "revidieren und sich konstruktiv an den Verhandlungen über faire Wettbewerbsbedingungen beteiligen", heißt es im Entwurf des Dokuments, der am Mittwoch bekannt geworden war. Dies sei "eine notwendige Bedingung für die Zustimmung des Europäischen Parlaments zu einem Handelsabkommen".

Großbritannien war am 31. Jänner aus der EU ausgetreten. In der Übergangsphase bis Jahresende bleibt das Land noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. In dieser Zeit wollen beide Seiten insbesondere ein Handelsabkommen vereinbaren.

In vier Verhandlungsrunden gab es aber keine wesentlichen Fortschritte. London weigert sich bisher, Sozial-, Umwelt- und Verbraucherstandards der EU im Gegenzug für einen weitgehend ungehinderten Zugang zum europäischen Binnenmarkt zu akzeptieren. Hoch umstritten ist auch der weitere Zugang für EU-Fischer zu britischen Fanggründen.

Um die Post-Brexit-Gespräche aus der Sackgasse zu holen, ist am Montag eine Videokonferenz der EU-Spitzen mit Johnson geplant. An ihr nehmen auf EU-Seite Kommissionschefin Ursula von der Leyen, Ratspräsident Charles Michel, Parlamentspräsident David Sassoli sowie Chefunterhändler Michel Barnier teil. Nach britischen Angaben wurde bereits vereinbart, dass die Verhandlungen nun "intensiviert" werden. Im Juli sollen demnach "jede Woche Gespräche" stattfinden.