APA - Austria Presse Agentur

EU sieht Rechtsstaat in Polen und Ungarn weiter in Gefahr

Die EU-Kommission sieht den Rechtsstaat in Polen und Ungarn weiterhin in Gefahr.

Der am Dienstag veröffentlichte zweite Jahresbericht der Brüsseler Behörde zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in allen 27 EU-Staaten kritisiert erneut vor allem Entwicklungen in diesen beiden Ländern. Demnach stellen die Regierungen in Warschau und Budapest die Unabhängigkeit der Justiz und die Pressefreiheit infrage und unternehmen nicht genug gegen Korruption.

"Ernste Besorgnis" äußerte Brüssel etwa darüber, dass Polens Regierung richterliche Anordnungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) weiterhin nicht umgesetzt hat. Die Luxemburger Richter hatten unter anderem die Aussetzung einer umstrittenen Disziplinarkammer für polnische Richter gefordert. "Doch sie trifft weiterhin Entscheidungen mit direkten Auswirkungen", beklagte die Kommission. Auch Bedenken "hinsichtlich der Unabhängigkeit und Legitimität des Verfassungsgerichts sind noch immer nicht ausgeräumt".

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"In Ungarn gibt es weitere Veränderungen in Richtung einer Absenkung bestehender Schutzmaßnahmen" für die Unabhängigkeit der Gerichte, heißt es in dem Bericht. Etwa die Ernennung von Zsolt Andras Varga zum Präsidenten des Verfassungsgerichts entgegen des Widerspruchs des Nationalen Justizrates sei höchst bedenklich.

Auch um die Medien in den beiden Ländern ist es laut Kommission schlecht bestellt. Die ungarische Regierung nehme durch intensives Schalten von Werbeanzeigen "indirekt politischen Einfluss" auf die Presse. Der Staat sei "der größte Werbeträger im Land und ein Großteil der Einnahmen geht an Medienunternehmen, die als regierungsfreundlich gelten".

Ganz ähnlich sei dies in Polen. Dort stelle außerdem die geplante Übernahme eines großen Pressekonzerns durch ein Staatsunternehmen eine "potenzielle Bedrohung für den Pluralismus auf dem Medienmarkt" dar.

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Der 2020 erstmals erstellte Rechtsstaatsbericht bewertet nach Angaben der Kommission anhand einheitlicher und objektiver Kriterien die Lage in allen 27 EU-Ländern. Wie bereits im vergangenen Jahr hat Brüssel in einer ganzen Reihe von Ländern Probleme ausgemacht. Auch in Slowenien würden Journalisten von offizieller Seite angegangen. Bei Österreich wurden Bedenken wegen politischer Störfeuer bei Korruptionsermittlungen und hinsichtlich des hohen Ausmaß an Regierungsinseraten in Medien geäußert.

Die Kommission sieht insgesamt aber eine positive Tendenz. "Nach dem ersten Bericht erhielten wir eine Reihe von Aktionsplänen und Reformprojekten, um die angesprochenen Bedenken zu beseitigen", sagte EU-Justizkommissar Didier Reynders. In diesem Rahmen habe Rumänien etwa begonnen, kritisierte Justizreformen rückgängig zu machen.

Mit Polen und Ungarn sei der Austausch aber "etwas komplizierter", gestand Reynders. In den beiden Ländern "befinden wir uns in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit in einer eher systemischen oder systematischen Situation".

Die Regierungen in Budapest und Warschau stehen seit Jahren wegen rechtsstaatlicher Verfehlungen am Pranger der EU. Gegen beide Länder laufen Strafverfahren, die bis zum Entzug von Stimmrechten in der EU führen könnten. Bisher hat dies aber keine wesentlichen Kursänderungen bewirkt.