APA - Austria Presse Agentur

EU-Staaten wollen bei Corona-Bekämpfung enger kooperieren

Angesichts dramatisch steigender Corona-Infektionszahlen in ganz Europa haben die Staats-und Regierungschefs der EU eine intensivere Zusammenarbeit bei der Pandemiebekämpfung vereinbart.

In einer Erklärung nach dem ersten Tag des EU-Gipfels in Brüssel sprachen sie sich in der Nacht auf Freitag für eine bessere Koordination bei den Quarantänevorschriften, der grenzüberschreitenden Kontaktverfolgung sowie bei Teststrategien, Impfkapazitäten und Reisebeschränkungen aus. Die derzeitige Situation sei "beispiellos" und gebe "Anlass zu ernsthafter Besorgnis", hieß es in der Erklärung. Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte nach den Beratungen, es gehe darum, ein ungebremstes Wachstum der Infektionszahlen zu verhindern. Deshalb werde es künftig regelmäßigere Konsultationen auch über Video geben. "Die Frage, wie wir aus dieser Pandemie herauskommen, die entscheidet über die Gesundheit von ganz vielen Menschen. Die entscheidet über die Frage: Wie viele Menschen müssen sterben? Und sie entscheidet auch über unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit", betonte die CDU-Politikerin.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) betonte, dass die Probleme in "allen europäischen Ländern gleich" sind. Alle Staats- und Regierungschefs hätten bei der Debatte davon gesprochen, dass "wir mitten in der zweiten Welle in Europa angelangt sind", berichtete er. Überall würden die Zahlen massiv ansteigen, "in manchen Ländern etwas früher in manchen Ländern etwas später". Alle Regierungen, so Kurz weiter, hätten mit denselben Herausforderungen zu kämpfen: "Sehr viele Beschwichtiger, aber gleichzeitig, die Gewissheit, dass wenn sich das Wachstum weiter so fortsetzt, dass wir definitiv an einem problematischen Punkt angelangen." Ab einem gewissen Level werde Contact-Tracing unmöglich für die Behörden, erklärte der Bundeskanzler. Die Folge wäre ein Lockdown. "Das ist überall dasselbe Muster." Er forderte nicht zuzuwarten, sondern zu reagieren.

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Am ersten Gipfeltag hatten sich die 27 EU-Staats- und Regierungschefs zudem über die Klimaziele bis 2030 sowie die Post-Brexit-Verhandlungen ausgetauscht.

Kurz vor der Entscheidung der britischen Regierung über eine Fortsetzung der Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit der EU hätten die EU-Staaten EU-Chefverhandler Michel Barnier "ganz viel Unterstützung" zugesagt, berichtete Kurz. Barnier solle die Gespräche "ambitioniert" weiterführen, mit dem Ziel ein Ergebnis zu erreichen - "aber nicht um jeden Preis". Merkel ihrerseits forderte Kompromisse. "Jeder hat seine roten Linien", sagte die Kanzlerin. "Wir haben Großbritannien gebeten, im Sinne eines Abkommens weiter kompromissbereit zu sein. Das schließt ein, dass auch wir Kompromisse machen müssen." Damit wählte sie eine weichere Tonlage als etwa Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

Der EU-Gipfel erklärte sich bereit, weiter einige Wochen über ein Handelsabkommen verhandeln zu wollen. Die Staats- und Regierungschefs beschlossen aber auch, sich verstärkt auf ein No-Deal-Szenario vorzubereiten. Macron hatte betont, dass sein Land auch dazu bereit sei. Der britische Premierminister Boris Johnson will am Freitag entscheiden, ob das Königreich weiterverhandelt. Er hatte der EU ursprünglich eine Frist bis zum 15. Oktober für eine Einigung gesetzt. Dass Johnson am Freitag die Verhandlungen abbrechen werde, glaubt Kurz nicht.

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Der EU-Unterhändler Barnier erklärte, er sehe noch Chancen auf eine Einigung. Der EU-Gipfel gab ihm das Mandat für Gespräche über die strittigen Fischereirechte, den Streitschlichtungsmechanismus und den Zugang zum britischen Markt und zum EU-Binnenmarkt.

In der Klimadebatte habe es im Kreis der EU-Regierungen "eine hohe Bereitschaft" gegeben, auf die Vorschläge der EU-Kommission einzugehen, den Ausstoß an Treibhausgaben bis 2030 auf 55 Prozent gegenüber 1990 zu vermindern, sagten Merkel und Kurz. Die österreichische Position, so Kurz, habe bei der Debatte viel Zuspruch bekommen: "Ein klares Ja zu ambitionierten Klimazielen, aber immer nur Hand in Hand mit Maßnahmen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union aufrechtzuerhalten." Entscheidungen sollen hier aber erst beim Gipfel im Dezember fallen.

Der erste Gipfeltag war vom Corona-Thema überschattet. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte das Treffen kurz nach dessen Beginn verlassen müssen, als sie erfuhr, dass es in ihrem Büro einen Corona-Fall gegeben hatte. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki war nicht nach Brüssel gereist, sondern hatte sich ebenfalls in häusliche Isolation begeben, weil er in seiner Umgebung Kontakt zu einem Corona-Infizierten hatte.