EU-Wahl: Rechte auch auf Social Media weit voraus

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Vor der Europawahl im Juni sind die rechtspopulistischen Parteien ihren traditionellen Konkurrenten in den Online-Netzwerken weit voraus.

Doch sie haben nicht nur viel mehr Follower:innen, sie verbreiten auch bewusst Falschmeldungen. "Desinformation ist das Herzstück ihrer Kommunikationsstrategien", sagt Johannes Hillje, der Parteien und Politiker in Berlin und Brüssel berät. "Populistische Parteien sind Meister einer neuen Art von Propaganda."

Meisten Views und Likes gehen an Populisten

Bei Views und Likes liegen die Populisten klar vorn. Nach Recherchen des Magazins Politico vom März hat die rechtsextreme Fraktion Identität und Demokratie (ID) im Europäischen Parlament, zu der auch die FPÖ und die AfD zählen, 1,3 Millionen Follower auf TikTok. Der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), der größten und ältesten parlamentarischen Gruppierung, folgen gerade einmal 167.000 Menschen.

Mit Fake News auf Plattformen wie Facebook, X oder Instagram verbreiten die Rechtspopulisten Angst und Wut. Faktenprüfer der Nachrichtenagentur AFP konnten den Parteien am rechten Rand zahlreiche falsche oder irreführende Behauptungen zu brisanten Themen wie Migration, dem Krieg gegen die Ukraine oder Klimaschutz nachweisen.

Eines der wichtigsten Felder für die Desinformation ist die Zuwanderung. "Opportunistische Politiker machen Einwanderer zum Sündenbock für die Missstände in der Gesellschaft", sagt Natalia Banulescu-Bogdan von der Denkfabrik Migration Policy Institute in Washington. "Falschinformationen über Migranten und Migration werden seit langem benutzt, um Angst zu schüren und Wähler in Europa zu mobilisieren." Um Wahlerfolge zu erzielen, machten Populisten Zuwanderung zu einer existenziellen Frage.

Im März etwa verbreitete der Spitzenkandidat der rechtspopulistischen französischen Partei Rassemblement National, Jordan Bardella, auf X die falsche Behauptung, die Einwanderung koste Frankreich 40 Milliarden Euro pro Jahr. Autoren der Studie, die Bardella als Quelle nannte, sagten AFP, der Politiker verbreite eine "irreführende Interpretation" ihrer Daten.

Ein weiteres Schlachtfeld für die Rechten sind die Maßnahmen des Green Deal der EU zur Eindämmung des Klimawandels. Im April behaupteten gleich mehrere AfD-Politiker in den sozialen Medien, Frankreich habe den Bau und Betrieb von Windkraftanlagen verboten - was nicht stimmt. Tatsächlich hatte ein Gericht lediglich über den zulässigen Lärmpegel von Windrädern geurteilt.

Online-Netzwerke sind "praktisch für rechtspopulistische Parteien, um ihre Lügen und Verschwörungstheorien durchzusetzen", sagt Ayhan Kaya, Professor für Europäische Politik an der Universität Bilgi in Istanbul. Viele Wahlkampfthemen sind kompliziert und damit anfällig für Desinformation. Die Menschen wollten einfache Antworten "auf die Komplexität der heutigen globalisierten Welt", analysiert Kaya.

Rechtsaußen-Politiker wie der AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah sind zu regelrechten TikTok-Stars geworden, ihre Videos erhalten Millionen Likes. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Krah wegen verdächtiger Verbindungen zu Russland und China.

Jedes TikTok-Video der AfD sei 2022 und 2023 durchschnittlich 435.394 Mal angesehen worden, sagt Politikberater Hillje. Clips von CDU und CSU seien hingegen im Schnitt nur 90.583 Mal aufgerufen worden. Auch auf YouTube sei der Abstand beträchtlich.

Schon im Oktober rief die EU-Agentur für Cybersicherheit zur Wachsamkeit vor der Wahl zum Europäischen Parlament vom 6. bis 9. Juni auf und nannte "Kampagnen zur Manipulation von Information eine große Bedrohung für den Wahlprozess".

In Ungarn ist laut der Organisation EU DisinfoLab "eine der Hauptquellen der Desinformation die Regierung selbst". Brüssel rügte den rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orban vergangenes Jahr wegen mehrerer irreführender Behauptungen auf Facebook - zum Beispiel, dass die EU Ghettos für Migranten in Ungarn errichten wolle.

Rechtspopulisten "profitieren von den vielen Krisen, indem sie die Angst der Menschen ausnutzen", sagt Politikberater Hillje. "Das Hauptproblem ist, dass sich Desinformation schneller und weiter verbreitet als Information."

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