APA - Austria Presse Agentur

EuGH-Urteil zu Höchstarbeitszeit begrenzt Spitzenbelastungen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich jüngst mit der Arbeitszeitrichtlinie der EU beschäftigt, laut der eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden in einem gewissen Zeitraum nicht überschritten werden darf. Laut dem EuGH-Urteil darf auch bei gleitender Betrachtungsweise diese Grenze nicht überschritten werden. Das soll längere Spitzenbelastungen für Arbeitnehmer ausschließen.

"Der EuGH nimmt die Gesundheit der Arbeitnehmer wichtig", erläutert der ÖGB-Rechtsexperte Martin Müller vom Referat für Rechts- und Kollektivvertragspolitik gegenüber der APA. Anlassfall für das Urteil war ein französisches Gesetz, das die Arbeitszeiten der Polizisten regelt, wogegen eine Gewerkschaft geklagt hatte. Die Auslegung der Arbeitszeitrichtlinie durch den EuGH in diesem Urteil gelte für alle EU-Staaten, also auch für Österreich.

In dem Urteil (Rechtssache C‐254/18) vom 11. April 2019 hat der Gerichtshof festgestellt, dass die 48 Stunden wöchentlicher Höchstarbeitszeit nicht nur in einem fixen Bezugszeitraum, sondern auch bei beweglicher, gleitender Beobachtung, nicht verletzt werden dürfen. Konkret müsse man sich jeden Tag aufs Neue anschauen, ob im Schnitt von 17 Wochen (rückwirkend) das 48-Stunden-Limit noch eingehalten oder schon überschritten wurde. In Österreich hatte der "Standard" vergangene Woche über das Urteil berichtet.

Im österreichischen Recht ist ein Durchrechnungszeitraum von 17 Wochen genannt, um den Schnitt der Arbeitszeit zu bilden. Dies wurde bisher als fixer Zeitraum mit Beginn und Ende gesehen. Die maximal zulässige wöchentliche Höchstarbeitszeit wurde im September 2018 von bisher 50 auf 60 Wochenstunden erhöht. Pro Woche sind nun maximal 20 Überstunden zulässig, aber in einem Zeitraum von 17 Wochen darf die durchschnittliche Arbeitszeit 48 Wochenstunden nicht überschreiten. Diese Einschränkung langer Arbeitszeiten resultiert aus der EU-Arbeitszeitrichtlinie.

Im österreichischen Arbeitszeitgesetz ist zur Ermittlung des Durchschnitts ein Durchrechnungszeitraum von 17 Wochen genannt. Diese Bestimmung sei nicht EU-rechtswidrig, aber sie müsse zumindest so ausgelegt werden, dass parallel zu einem fixen Durchrechnungszeitraum die gleitende Betrachtungsweise immer mit einzubeziehen sei. Das heißt konkret, dass jeden Tag neu berechnet werden muss, ob die 48 Stunden wöchentlicher Höchstarbeitsgrenze im 17-Wochen-Schnitt eingehalten werden. "Wenn das vom Arbeitszeiterfassungssystem gleich automatisch mitberücksichtig wird, ist man auf der sicheren Seite", erläutert ÖGB-Experte Müller.

Ohne diese gleitende Betrachtungsweise könnte es etwa am Ende eines Durchrechnungszeitraums und am Anfang des nächsten Zeitraums mehrere Wochen mit hohen Arbeitsspitzen geben, wodurch die Höchstarbeitsgrenze von 48 Stunden in einem 17-Wochen-Zeitraum überschritten würde. Damit würde aber der Regelungszweck der Richtlinie - "Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer" - unterlaufen. Der EuGH schiebt also einer anhaltend hohen Arbeitsbelastung, etwa durch zuviele 60-Stunden-Wochen am Stück, einen Riegel vor. "Es sind weniger Spitzen von Überstunden erlaubt - man muss es gleichmäßiger verteilen", erklärt Müller.

Der Gewerkschafter und Arbeitsrechtler erinnert an das von vielen Experten kritisierte rasche Vorgehen bei der Arbeitszeitnovelle: "Wenn zur letzten Änderung des Arbeitszeitgesetzes eine vernünftige Begutachtung stattgefunden hätte, dann wäre das jemandem aufgefallen. Man hätte das Problem thematisiert und hätte es lösen können. Solche Probleme entstehen im Nachhinein, wenn man so eine komplexe Materie wie das Arbeitszeitgesetz in vier Wochen durchs Parlament peitscht", kritisiert Müller.