APA - Austria Presse Agentur

Evaluierung der Coronavirus-Maßnahmen im Juni

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat am Montag eine Detailevaluierung der Maßnahmen zur Eindämmung der Coronaviruspandemie und zu den Öffnungsschritten im Juni angekündigt.

Dabei soll dann eine Prognose erstellt und im Zuge dieser Evaluierung eine Grundsatzaussage getroffen werden, "auch über die Frage: 'Können wir das Tempo beschleunigen?'", kündigte Anschober an.

Denn da habe man vier Öffnungsschritte hinter sich "und wir haben die Auswirkungen gesehen". Damit "sind wir um einiges klüger als zu Beginn", sagte der Gesundheitsminister.

Zu Wort kamen am Montag auch Experten des Beraterstabs der Coronavirus-Taskforce im Gesundheitsministerium. Diese 18 Mitglieder absolvierten seit 28. Februar 16 Sitzungen, erläuterte Anschober. Von der grundsätzlichen Herangehensweise gebe es eine einheitliche Meinung, dass die weitere Öffnung nur schrittweise erfolgen könne, sagte Anschober. Bei manchen Themenfeldern gebe es jedoch unterschiedliche Ansichten. Der Minister betonte, dass sich bei dieser Krise "alle miteinander in einem großen Lernprozess" befinden. Bisherige Öffnungsschritte, wie etwa der 1. Mai, an dem die Lockerungsverordnung in Kraft trat, habe "bisher keine Auswirkungen in der gesamtösterreichischen Statistik" gezeigt.

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Zuletzt hatte es um den jüngsten Infektionscluster in zwei Post-Verteilerzentren, der auf Leiharbeiter zurückzuführen sein dürfte, Aufregung gegeben. Derartige Cluster seien weniger kritisch zu beurteilen als solche, "die wir nicht zurückführen können", sagte Herwig Ostermann, Geschäftsführer von Gesundheit Österreich. "Epidemiologisch viel gefährlicher wären fünf Fälle, wo wir nicht wissen, wo sie herkommen", betonte der Experte. Bei Clustern können regional Maßnahmen getroffen werden.

Ostermann verwies darauf, dass sämtliche Länder Lockerungsmaßnahmen abgestuft durchführen. Maßnahmen seien nur dann möglich, wenn sie auch von der Bevölkerung mitgetragen werden. "Es geht nicht um einen Einzeltanz, sondern vielmehr um eine Art Gruppentanz, eine koordinierte Polonaise", sagte der Experte. Alle müssen darin eingebunden werden, es betreffe die Gesellschaft.

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Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethikkommission, UNESCO Lehrstuhl für Bioethik an der Medizinischen Universität Wien, betonte, dass das Gebot der Stunde Eigenverantwortung sei. Denn das Virus ist in Österreich weiterhin existent. "Es muss jeder für sich selber sehen, dass er keinen Freibrief hat als gebe es kein Morgen", sagte Druml. Sie forderte jedoch, dass Einschränkungen der Grundrechte verhältnismäßig sein müssen. "Wir leben alle in einem großen Experiment weltweit", meinte Druml.

Auch der Wiener Reise- und Tropenmediziner Herwig Kollaritsch betonte, dass das Virus seine Eigenschaften nicht verändert hat. "So lange wir nicht völlig frei von Fällen sind, sind wir nicht aus dem Schneider", sagte der Mediziner. Eine zweite Welle werde kommen, "wenn wir es nicht schaffen, das Gleichgewicht zu halten". Neuinfektionen müssen kontinuierlich kontrolliert werden, das gehe, solange diese Zahl überschaubar ist. Bei 50, 100 Neuinfektionen pro Tag gebe es die Ressourcen, diese nachzuverfolgen, bei 1.000 am Tag "ist es unmöglich". Mit den gesetzten Maßnahmen in Österreich habe man SARS-CoV-2 "seine Übertragungsgrundlage nach und nach entzogen", allerdings befinde man sich "in einem unglaublich fragilem Gleichgewicht, das Virus wartet nur darauf, dass wir einen Fehler machen", warnte der Experte.

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Was eine zweite Welle im Herbst betrifft, meinte Kollaritsch, er sei "ein unverbesserlicher Optimist". Masken sollen seiner Meinung nach übrigens weiter getragen werden. Denn sie haben neben dem physikalischen auch einen psychologischen Effekt. "Wir sind noch immer im Bereich einer Pandemie, bemerken nur nicht viel davon", warnte Kollaritsch.

Bundesrettungskommandant Gerry Foitik nannte vier Rahmenbedingungen, die nun notwendig sind. Das sei, dass kein einziger Infizierter untendeckt bleibt, dann schnell getestet wird, dass Kontaktpersonen bis zu einem Testergebnis ihre Kontakte auch einschränken und dass Risikogruppen informiert werden, wie sie sich schützten können. Dafür gelte der Grundsatz, "richtig ist, was wichtig ist". Werden diese Maßnahme konsequent befolgt, könne eine Öffnung - "ob schnell oder langsam" - ohne Schaden durchgeführt werden, sagte Foitik.