APA - Austria Presse Agentur

Ex-Außenminister Linhart wird Botschafter in Berlin

Kurzzeit-Außenminister Michael Linhart wechselt nach seiner Ablöse aller Voraussicht nach auf den Botschafterposten in Berlin. Das verriet der 63-jährige Karrierediplomat in einem APA-Interview. Das Außenminister-Amt habe ihm zwar "sehr viel Spaß" gemacht, doch sei der Wechsel in die deutsche Hauptstadt "eine neue Herausforderung", auf die er sich sehr freue. Einen Groll wegen der kurzen Amtszeit hegt Linhart nach eigenen Worten nicht. Dabei war er nur 56 Tage im Amt gewesen.

Trotz der unerwartet raschen Ablöse sei sein Verhältnis zu seinem Vorgänger und Nachfolger, dem aus dem Bundeskanzleramt ins Außenministerium zurückgekehrten Alexander Schallenberg, sowie zum neuen Regierungschef Karl Nehammer (alle ÖVP) keineswegs getrübt. "Es hat überhaupt nicht gelitten. Wir haben einen guten Austausch und eine hervorragende Übergabe gehabt." Natürlich hätte er den Job des Außenministers gerne "weiter gemacht, wenn es die Umstände so verlangt hätten", räumte Linhart ein. Aber jetzt freue er sich "auf die neue Herausforderung".

Es liege Diplomaten wohl in den Genen, "dass man rasch den Posten wechselt und dort den Einsatz macht, wo man gebraucht wird", formulierte Linhart. "Es war bei mir schon mehrmals der Fall, dass ich wo früher abgebrochen und einen neuen Job übernommen habe. Das ist auch jetzt so. Ich freue mich, dass ich jetzt Außenminister Schallenberg in einer anderen Funktion unterstützen kann." Und Deutschland sei eines der wichtigsten Länder Europas, "mit einer neuen Regierung, wo man sehr gut die Kontakte neu aufbauen kann."

Zwar müsse seine definitive Bestellung erst "von den Gremien" abgesegnet werden, hielt der Ex-Außenminister fest. "Aber die Qualifikation für den Posten habe ich und ich möchte es auch gerne machen. Daher wird es in die Richtung gehen." Er habe in seiner knapp acht Wochen währenden Ära immerhin Reisen in 13 Destinationen gemacht, zog Linhart Bilanz. Er habe dabei bei Themen wie der von Österreich forcierten EU-Erweiterung am Westbalkan auch Schwerpunkte vertieft, die schon von Schallenberg gesetzt worden seien. Im Zuge einer Kontinuität der österreichischen Außenpolitik werde dieser diese nun seinerseits wieder aufgreifen, zeigte sich Linhart überzeugt.

Der 63-Jährige erinnerte sich im APA-Gespräch auch an seine Zeit als Generalsekretär im Außenamt (2013-2018), während der er auch eng mit dem damaligen Außenminister und späteren Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zusammenarbeitete. "Er hat starke Akzente gesetzt, die ich mitgetragen habe. Ich habe ihn als Teamarbeiter kennengelernt, der aber auch zuhören kann, der Fragen stellt, dann aber auch Entscheidungen trifft." Linhart zeigte sich überzeugt, dass Kurz die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen aufklären werde. "Mit solchen Vorwürfen entsteht aber auch ein enormer Druck, der einen Menschen fast kaputt machen kann." Daher habe er auch vollen Respekt für den Rückzug von Kurz. Die Chats, die das Image des zurückgetretenen Bundeskanzlers und ÖVP-Chefs in ein schlechtes Licht rückten, wollte Linhart nicht überbewerten. Schließlich habe "jeder irgendwo auch Emotionen."

Die ÖVP müsse nun zeigen, dass sie ein Programm habe, "das wir glaubhaft umsetzen wollen", meinte Linhart, der im Oktober für den Wechsel an die Spitze des Außenministeriums den Posten des Botschafters in Paris aufgegeben hatte, weiter. Dann werde sie auch wieder das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen. Dass die innenpolitische Kalamitäten und mehrfachen Wechsel an der Regierungsspitze in der jüngeren Vergangenheit das Image Österreichs im Ausland beschädigt haben, glaubt der erfahrene Diplomat nicht. "Wir gelten weiterhin als tief europäisch verwurzeltes Land und als verlässlicher Partner."

Bezüglich des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine ortete Linhart keine akute Kriegsgefahr. "Da sind wir noch lange nicht." Selbst wenn die Lage angespannt sei. Erforderlich sei nun ein Dialog: "Wichtig ist, dass man aufeinander zugeht, sich an einen Tisch setzt und miteinander redet. Das ist auch unser Approach." Dies gelte auch für die Lage in Belarus, meinte Linhart auch hinsichtlich der Ende November in Wien abgehaltenen Konferenz zum Thema. "Wir wollten einen Diskussionsbeitrag leisten zum Demokratisierungsprozess."

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Im Folgenden das APA-Interview mit Ex-Außenminister Michael Linhart im Frage-Antwort-Modus:

APA: Mit dem Amt des Außenministers ist es für Sie nun vorbei. Kehren Sie jetzt zurück in den "normalen" diplomatischen Dienst? Zuletzt war etwas geheimnisvoll von einem "neuen Posten im Ausland" die Rede. Was ist es letztlich geworden?

Linhart: Ich habe den Job des Außenministers gern gemacht. Er hat mir sehr viel Spaß gemacht, aber es liegt Diplomaten wohl in den Genen, dass man rasch den Posten wechselt und dort den Einsatz macht, wo man gebraucht wird. Es ist vorgesehen, dass ich nach Berlin gehe und ich freue mich auf den Job, das ist eine neue Herausforderung. Es muss noch alles durch die Gremien gehen. Es braucht einen Ministerratsbeschluss. Aber die Qualifikation für den Posten habe ich und ich möchte es auch gerne machen. Daher wird es in die Richtung gehen.

APA: Aber das Amt des Außenministers war schon der Höhepunkt Ihrer diplomatischen Karriere. Sind Sie nicht doch ein bisschen enttäuscht, dass es so gelaufen ist? Sie sind ja Freitag früh in einem ORF-Hörfunkinterview noch davon ausgegangen, dass sie im Amt bleiben.

Linhart: Ich bin schon rechtzeitig informiert worden. Alexander Schallenberg hat mich noch als Bundeskanzler angerufen und gesagt, er wird sein Amt zurücklegen und es ist vorgesehen, dass er das Außenministerium wieder übernimmt. Es war dann klar, dass es dazu erst die Entscheidung der Gremien braucht. Und für mich war klar, solange die Entscheidung nicht gefallen ist, bin ich Außenminister. So habe ich das gesehen. Aber ich hege überhaupt keinen Groll. Es war bei mir schon mehrmals der Fall, dass ich wo früher abgebrochen und einen neuen Job übernommen habe. Das ist auch jetzt so. Ich freue mich, dass ich jetzt Außenminister Schellenberg in einer anderen Funktion unterstützen kann.

APA: Aber hätten Sie dann nicht gleich Botschafter in Paris bleiben können?

Linhart: Ich war über drei Jahre in Paris, habe dort eine spannende Zeit gehabt und auch einiges bewirkt. Ein Ergebnis war, dass ich als erster Außenminister seit zehn Jahren einen bilateralen Besuch absolviert habe und bei meinem französischen Außenministerkollegen Jean-Yves Le Drian zu Gast war. Also hat die Arbeit dort ihre Früchte getragen, und jetzt geht es auf zu einer neuen Herausforderung. In einem Land, das für uns und Europa extrem wichtig ist, das ein wichtiger Partner ist in der Nachbarschaft, in der Europapolitik, bei internationalen Krisenherden. Deutschland ist wirtschaftlich eines der bedeutendsten Länder, mit einer neuen Regierung. Da kann man sehr gut die Kontakte neu aufbauen.

APA: Sie sind als Sportsman bekannt und auch jetzt klingt es so, dass sie das alles sehr sportlich nehmen. Aber Hand aufs Herz: Ist es wirklich so, dass Ihr persönliches Verhältnis zu Alexander Schallenberg und zu Bundeskanzler Karl Nehammer gar nicht gelitten hat?

Linhart: Es hat überhaupt nicht gelitten. Wir haben einen guten Austausch und eine hervorragende Übergabe gehabt. Natürlich bin ich ein Mensch, der auch Emotionen hat. Ich habe es gern gemacht. Hätte es auch weiter gemacht, wenn es die Umstände so verlangt hätten. Aber jetzt freue ich mich auf die neue Herausforderung.

APA: Aber welchen Eindruck hat das bei Ihren Amtskolleginnen und Amtskollegen auf Außenministerebene, die Sie im Laufe Ihrer Tätigkeit getroffen haben, hinterlassen? Sie sind in verschiedene Länder gefahren, haben Gespräche geführt, Kontakte geknüpft, Pläne geschmiedet. Und plötzlich ist von einem Tag auf den anderen wieder alles vorbei. Wie wurde darauf reagiert?

Linhart: Ich habe von vielen Kollegen Nachrichten, Anrufe bekommen, die einfach gesagt haben, es war eine gute Zusammenarbeit, die wir hatten. Wir haben vieles initiiert. Aber auch sie sind in der Politik und wissen, dass es Veränderungen geben kann. Ich glaube, das Wichtige ist, dass die Dinge weiterlaufen. Alexander Schallenberg ist der Garant für eine Außenpolitik, die von Kontinuität geprägt ist. Im Rahmen dieser Kontinuität habe auch ich Schwerpunkte aufgegriffen, die er schon gesetzt hatte. Ich habe in knapp acht Wochen Reisen in 13 Destinationen gemacht und damit bestimmte Kontakte neu etabliert, andere vertieft. Das habe ich Alexander Schallenberg jetzt wieder übergeben, im vollen Vertrauen, dass er das weiterführen wird. Also, es ist ein gutes Zusammenspiel, das wir hier haben.

APA: Wenn wir ein bisschen weiter in die Vergangenheit gehen: Sie waren 2013 Generalsekretär im Außenamt, als Sebastian Kurz Außenminister geworden ist. Welchen Eindruck haben Sie damals von ihm gewonnen, und woran ist er jetzt Ihrer Meinung nach letztlich gescheitert?

Linhart: Als Generalsekretär war ich sein Stellvertreter. Ich habe sehr viel mit ihm gemeinsam gemacht. Wir haben eine sehr enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit gehabt. Er hat starke Akzente gesetzt, die ich mitgetragen habe. Ich habe ihn als Teamarbeiter kennengelernt, der aber auch zuhören kann, der Fragen stellt, dann aber auch Entscheidungen trifft. Wir waren jetzt in der Situation, dass es einerseits Chats gegeben hat, die man leicht einmal macht, weil jeder irgendwo auch Emotionen hat. Und es gibt diese Beschuldigungen, zu denen er von Anfang an gesagt hat, er wird beweisen, dass sie nicht stimmen. Ich vertraue ihm, dass es diese Aufklärung geben wird. Mit solchen Vorwürfen entsteht aber auch ein enormer Druck, den man erst einmal aushalten muss, der einen Menschen fast kaputt machen kann. Zumal diese Verfahren länger dauern werden. Daher habe ich auch vollen Respekt dafür, dass er sich diesem Druck nicht mehr aussetzen will. Er ist ein junger Mensch mit enormen Talenten, so dass es für ihn noch eine andere Zukunft gibt.

APA: Dass er sich etwas zuschulden kommen lassen hat oder vielleicht auch an der fehlerhaften Pandemie-Bewältigung gescheitert ist, glauben Sie also nicht?

Linhart: Da hat es verschiedene Perioden gegeben. Die Pandemie hat alle Länder je nach Periode mehr oder weniger getroffen. Wir haben gesehen, wie die Pandemie am Anfang von Österreich im Vergleich zu anderen Ländern wirklich ausgezeichnet gemanagt worden ist. Aber niemand ist ohne Fehler und rückwirkend weiß man oft, was besser gemacht werden kann. Aber die Entscheidungen sind immer in der vollen Absicht getroffen worden, die Dinge bestens zu bewältigen. Es ist aber auch von den Österreicherinnen und Österreicher abhängig, wie sich die Dinge entwickeln. Bei der Frage der Impfung müssen wir alle Verantwortung tragen. Nicht nur die Regierung. Aktuell sind wir in Österreich die Impfpflicht betreffend aber sogar Vorreiter. Sie wird ja jetzt auch in anderen Ländern diskutiert.

APA: Als Diplomat und Ex-Außenminister sind Sie genau informiert, was über Österreich im Ausland gedacht und geschrieben wird. Wie groß ist Ihrer Meinung der Schaden, der Österreich international durch die jüngsten innenpolitischen Kalamitäten entstanden ist? Besteht die Gefahr, dass man etwa in Italien wegen der häufigen Wechsel an der Regierungsspitze künftig vor "österreichischen Verhältnissen" warnen wird?

Linhart: Es gibt immer ein Auf und Ab. Aber wir werden doch als ein Land gesehen, in dem es in den europäischen Werten Kontinuität gibt. Auch wenn es mal einen Regierungswechsel gibt oder in kurzer Zeit vielleicht zwei. Aber wir gelten weiterhin als tief europäisch verwurzeltes Land und als verlässlicher Partner. Wirtschaftlich und in unserer Werteorientierung sowie bei der Diskussion über die Zukunft Europas. Da haben wir ein positives europäisches Image. Das wird auch weiterhin so bleiben.

APA: Die Situation zwischen Russland und der Ukraine spitzt sich offenbar zu. Besteht Ihrer Meinung nach die Gefahr, dass es in Europa demnächst nach längerer Zeit wieder zu einem großen Krieg kommt?

Linhart: Da sind wir noch lange nicht. Natürlich ist die Situation angespannt. Es ist auch eine Vertrauenskrise da. Aber das Wichtigste ist, dass man wieder einen Dialog führt. Ich habe das jetzt gerade selbst bei der OSZE-Tagung in Stockholm gesehen, wo sich der russische Außenminister Sergej Lawrow und sein US-Kollege Antony Blinken getroffen haben. Es hat auch das Gespräch zwischen den Präsidenten Joe Biden und Wladimir Putin gegeben. Also wichtig ist, dass man aufeinander zugeht und miteinander redet. Das ist auch unser Approach. Da haben wir auch versucht, unseren Beitrag zu leisten.

APA: Wie weit wird eigentlich Europa von den USA über die tatsächliche Lage im Ukraine-Konflikt informiert? Mittels geheimdienstlicher Informationen?

Linhart: Die spielen eine wichtige Rolle. Es findet auch ein Austausch statt unter den NATO-Partnern. Dieser Austausch zwischen Europa und USA ist wichtig.

APA: Ein wichtiges Ereignis ihrer Amtszeit war die Wiener Konferenz zu Belarus. Sind Sie mit den Ergebnissen zufrieden? Wie weit ist es gelungen, dafür auch die belarussische Regierungsseite ins Boot zu holen? Welchen Beitrag hat die Umgebung von Machthaber Alexander Lukaschenko geliefert?

Linhart: Wir wollten einen Diskussionsbeitrag leisten zum Demokratisierungsprozess von Belarus. Wir haben dazu auch Vertreter des Regimes Lukaschenko eingeladen. Das ist von dieser Seite nicht angenommen worden. Aber es ist wichtig, dass man immer wieder eine Plattform gibt, um zu einer demokratischen Lösung in Belarus zu kommen. Wir sind nicht diejenigen, die einen Regimewechsel suchen. Das ist die Sache des belarussischen Volkes, aber wir können dazu beitragen, indem wir die verschiedenen Seiten zusammenführen und eine Diskussion einleiten, die zu diesem Demokratisierungsprozess führen soll. Der zweite Punkt ist, dass man in der ganzen Krise um die Migrationsfrage wieder auf das eigentlich wesentliche Problem zurückkommt, die Verletzung der Menschenrechte in dem Land selbst.

APA: Sie haben sich in Ihrer kurzen Amtszeit auch dem Schwerpunkt EU-Erweiterung am Westbalkan gewidmet. Welche Pläne und Ziele hätten Sie da noch gehabt?

Linhart: Der Westbalkan hat für mich immer die erste Priorität. Ich bin der Ansicht, dass man nicht nur über diese Länder reden soll, sondern auch mit ihnen reden muss. Also zu ihnen hinfahren und zuhören, Fragen stellen, ihnen aber auch Europa anbieten muss. Es geht auch darum, dass man ihnen immer wieder sagt, wer ist Europa, was bringt Europa. Dass man mit ihnen in die Reformprozesse geht, sie auch nach Brüssel holt, sie mit den europäischen Partnern an Europa heranführt.

APA: Das wird der alte und neue Außenminister Schallenberg fortsetzen?

Linhart: Das waren auch Schwerpunkte, die schon er initiiert hatte, und die ich dann aufgegriffen und fortgesetzt habe. Ich bin überzeugt davon, dass er das weiter betreiben und Themen wie die Nachbarschaftspolitik fortsetzen wird. Etwa die Staatengruppe der "Central 5" mit Österreich, Tschechien, Slowenien, der Slowakei und Ungarn, die auch eine Initiative von ihm war, wo man gemeinsam im Verbund mit unseren Nachbarländern Initiativen setzen kann im internationalen Kontext. Und im wirtschaftlichen Bereich das Corona-Wiederaufbauprogramm ReFocus Austria, wo wir etwas für unsere Wirtschaft, für unsere Unternehmen tun wollen.

APA: Zum Abschluss eine innenpolitische Frage. Sie sind ja seit Jahren mit der ÖVP verbunden. Was muss die ÖVP jetzt tun, um das Vertrauen wieder zu gewinnen, das durch die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit doch etwas verloren gegangen ist?

Linhart: Das Wichtigste ist Arbeiten. Zeigen, dass wir ein Programm haben, das wir glaubhaft umsetzen wollen. Das müssen wir in allen Bereichen machen. Dann werden wir das Vertrauen der Bevölkerung wieder zurückgewinnen.

(Das Gespräch führte Edgar Schütz/APA)