APA - Austria Presse Agentur

Ex-Polizist als Serienmörder in El Salvador

Gewalt sind die Menschen in El Salvador gewohnt, etwa wegen der gefürchteten kriminellen Banden in dem zentralamerikanischen Land. Derzeit sorgt aber ein besonders skrupelloser Gewaltverbrecher für Fassungslosigkeit: Mit vermutlich mindestens 18 Mordopfern dürfte Ex-Polizist Hugo Osorio Chávez als schlimmster Serienmörder in die Landesgeschichte eingehen. Seine Opfer lockte er mit Versprechungen in die Falle, er könne ihnen einen Job besorgen oder sie in die USA schleusen.

Nun sitzt Osorio in Untersuchungshaft. Der 51-Jährige ist ein stämmiger, 1,70 Meter großer Mann. Seit 1997 hatte er als Polizist gearbeitet, 2005 wurde er wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen entlassen. Bis 2011 verbüßte er für diese Taten bereits eine Gefängnisstrafe.

"Das ist ein vollkommen übergeschnappter Typ", wird Osorio von dem Forensiker Israel Ticas charakterisiert. Im Haus des Ex-Polizisten fanden die Beamten ein Bild der "Santa Muerte", des "Heiligen Todes", mitsamt Kerzen, aber auch Masken, mit denen Osorio wohl seine Opfer in "Ritualen" in Angst und Schrecken versetzte.

In der Nacht zum 7. Mai beendeten die Schreie der 26-jährigen Jackeline Cristina Palomo Osorios Mordserie. Seine Nachbarn in der Estévez-Straße in Chalchuapa, einem Ort 90 Kilometer westlich der Hauptstadt San Salvador, alarmierten die Polizei. Osorio wurde inhaftiert, und seither stießen die Ermittler auf immer neue, bisher 18 mutmaßliche Opfer Osorios.

Die 26-jährige Jackeline hatte versucht, ihrem Mörder zu entkommen. Nach Angaben der Ermittler holte ihr Peiniger sie aber an der Tür ein und erschlug sie mit einer Eisenstange. Ihr Großvater José Cruz sagt, die Mordserie sei dank seiner Enkelin ans Licht gekommen. "Sonst hätte er weiter gemacht", ist sich Cruz sicher.

In Osorios Haus entdeckte die Polizei nicht nur Jackelines Leiche, sondern auch die ihrer Mutter Mirna. Ein Stück entfernt in der Nähe eines schon ausgehobenen Grabens lag die Leiche von Jackelines 24-jährigem Bruder Alexis und auch die von Osorios Bruder. Nach Aussage des Großvaters hatte Osorios Bruder versprochen, Alexis in die USA zu schleusen, und dafür 7.000 Dollar (5.740 Euro) von der Familie kassiert.

Auf einem Grundstück gegenüber des Hauses fanden die Ermittler nach Angaben des Justizministeriums 14 weitere Leichen. In Medienberichten wurde spekuliert, auf dem Gelände könnten sogar etwa 40 Leichen verscharrt sein. Auch Kinder zählten zu den Opfern. Derzeit kommen jeden Tag Menschen, die Angehörige vermissen, zu dem Gelände in Chalchuapa in banger Erwartung von Erkenntnissen über weitere Opfer des Ex-Polizisten.

Auch die 55-jährige Telma Mancía ist gekommen. Mit einem Foto in der Hand sucht sie nach ihrer 17-jährigen Enkelin Camila, die am 15. April 2020 verschwand. "Ich kann nicht schlafen", sagt die Großmutter. "Ich würde sie gerne lebend finden, aber wenn sie nicht mehr lebt, muss ich sie suchen, um ihr eine christliche Bestattung zu geben."

Die Ermittler beschreiben Osorio als "sexuellen Psychopathen", der seine Opfer in Online-Netzwerken "jagte" und ihnen Arbeit oder Hilfe beim Auswandern in die USA versprach. Warum er offenbar auch Männer sowie anscheinend drei Kinder im Alter zwischen zwei und neun Jahren tötete, ist wie vieles anderes in diesem Fall unklar.

Für die Wissenschafterin Jannet Aguilar, die UN- und EU-Einrichtungen berät, ist Osorio kein isolierter Fall. Vielmehr sei die Mordserie Teil einer "Kultur der extremen Gewalt" in El Salvador, die durch die Straffreiheit für viele Schwerverbrecher im Land begünstigt werde. Im Laufe der vergangenen 15 Jahre seien in El Salvador mehr als 40.000 Menschen verschwunden, sagt Aguilar. "Aber das Land hat keine Ahnung vom Ausmaß dieses Phänomens, denn es wurde versteckt und vertuscht."