APA - Austria Presse Agentur

Ex-Streitkräftekommandant für Österreichs NATO-Beitritt

Der frühere Kommandant der Streitkräfte Günter Höfler spricht sich für einen NATO-Beitritt Österreichs aus.

Die Neutralität biete keinen Schutz. Einzige Sicherheitspolizze sei ein NATO-Beitritt, sagte Höfler in der "Kleinen Zeitung". Und er zeichnet ein düsteres Bild über den Zustand des Bundesheers. Dieses sei nicht wehrfähig.

Der Krieg in der Ukraine habe zu einem ganz radikalen Umdenken zur Sicherheit in Europa geführt. "Sehr viele Staaten nehmen jetzt Geld in die Hand und verstärken ihre Verteidigungsanstrengungen, ganz besonders Deutschland. Aber die meisten haben das schon 2014 nach der Annexion der Krim gemacht."

Für dich ausgesucht

Österreich in seinem Desinteresse "verharrt"

Das Bundesheer habe diesen Konflikt in seinen strategischen Analysen immer als eine der möglichen Bedrohungen am Schirm gehabt. "Aber das hat niemand ernst genommen. Österreich ist in seinem Desinteresse verharrt." Das Bundesheer sei mit einem Budget von 0,6 Prozent des BIP unterdotiert. "Es ist nicht in der Lage, einen konventionellen Angriff auf Österreich abzuwehren."

"Wir haben keine funktionierende Flieger- und Drohnenabwehr. Unsere Fliegerabwehr endet auf einer Höhe von 3.000 Metern, das ist gar nichts. In der Luft haben wir die 15 Eurofighter, denen es an wesentlichen Systemen fehlt, die ein modernes Flugzeug ausmachen. Auch die Lenkwaffen sind veraltet und nur in geringster Stückzahl vorhanden. Wegen der Geldknappheit will man die Nutzungsdauer bestimmter Systeme im Bereich Flieger- und Panzerabwehrlenkwaffen verlängern. Es bleibt aber ein altes System und gehört erneuert. Was solche neuen Systeme leisten, sieht man in der Ukraine", so Höfler. Es brauche auch eine Drohnenabwehr.

Für dich ausgesucht

Staat nicht für Katastrophen gerüstet

Österreich habe sich den Herausforderungen und Gefahren nicht gestellt. "Wir schwindeln uns immer nur durch. Wir haben herrliche Konzepte, aber das ist nur Papier. Es ist höchste Zeit, dass das vorbereitete Krisensicherungsgesetz beschlossen und ein Lagezentrum in Angriff genommen wird. Unglaublich, dass es das bei uns noch nicht gibt." Die BürgerInnen würden sich erwarten, dass der Staat auf Krisen wie Pandemie, Krieg, Reaktorunfall oder ein Blackout vorbereitet sei. "Der Bürger erwartet, dass der Staat dafür bestens gerüstet ist – und das ist er nicht."

Es fehlende das geistige Interesse an der Wehrhaftigkeit. "Die geistige Landesverteidigung ist überhaupt eingeschlafen. Ich glaube, die Wehrhaftigkeit in der Bevölkerung ist mehr vorhanden, als die politische Führung wahrhaben möchte. Bei uns redet man sich immer wieder darauf aus, wir werden aktiv, wenn es eine Europa-Armee gibt."

"Was bleibt, ist, dass viele Staaten ihre eigene Abwehrfähigkeit und Resilienz, die Widerstandsfähigkeit, stärken. Aber zu warten, dass eine starke Europa-Armee unseren Schutz übernehmen wird, ist ein völliger Irrglaube. 21 der 27 EU-Staaten gehören der NATO an und sehen sich dort gut aufgehoben."

Für dich ausgesucht

Emanzipation Europas von der NATO?

Eine Emanzipation Europas von der NATO lehnte Höfler ab. "Eher wäre die Stärkung des europäischen Pfeilers in der NATO anzustreben. Aber kein Gegenstück dazu." Der Grund dafür: "92 Prozent der Atomwaffen sind im Besitz der USA und Russlands. In Wahrheit ist Europa ohne den nuklearen Schirm der USA atomar voll erpressbar." Vor allem für kleine Staat sei das Verteidigungsbündnis NATO "die einzige und beste Versicherungspolizze".

Der große Vorteil der NATO sei die integrierte, über Jahrzehnte eingespielte Kommandostruktur. "Und es sind Fähigkeiten, über die Europa alleine nicht verfügt. Ich denke an die strategische Aufklärung, die Intelligence, die strategische Mobilität, Kapazitäten im Cyberwarfare. Wesentlich ist, dass die EU immer noch eine Summe von Staaten ist, die ihre eigenen militärischen Strukturen nicht aufgeben werden."

Die Neutralität biete keinen Schutz. "In der Geschichte hat sie ein Land noch nie vor einem Aggressor bewahrt. Die Neutralität ermöglicht die Rolle eines Brückenbauers, aber die muss sicherheitspolitisch glaubwürdig sein. Es gibt nur zwei Alternativen: Eine starke bewaffnete Neutralität wie die Schweiz oder ein Beitritt zur NATO", so Höfler, der von 2012 bis 2018 Leiter der österreichischen Militärvertretung in Brüssel war.