APA - Austria Presse Agentur

Experte: Ruf Österreichs als Vermittler gefährdet

Der Politikwissenschafter Heinz Gärtner sieht angesichts des bevorstehenden Treffens von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit US-Präsident Donald Trump den Ruf Österreichs als ehrlicher Makler im Nahen Osten in Gefahr.

Kurz oder sein Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) müssten "sofort" auch den Iran kontaktieren, "damit das keine Schlagseite bekommt", sagte Gärtner im APA-Interview.

So verwies der Wiener Universitätsprofessor darauf, dass Kurz in Washington auch bei der pro-israelischen Lobbyorganisation AIPAC auftreten werde. "Das ist schon ein bisschen einseitig", sagte Gärtner. "Ich würde mir wünschen, dass er auch die anderen jüdischen Organisationen trifft wie J Street", sagte er mit Blick auf die wichtigste liberale jüdische Lobbyorganisation in Washington.

Die Regierung Kurz habe in bestimmten außenpolitischen Fragen "vorauseilenden Gehorsam" gegenüber den USA gezeigt, sagte Gärtner weiter. Konkret nannte er "die schnelle Anerkennung von (Oppositionsführer Juan) Guaidó in Venezuela, was nicht notwendig gewesen wäre". Österreich sei auch "vorgeprescht" bei Trumps Nahost-Plan. "Da ist Österreich viel weiter gegangen als die EU", verwies der Experte explizit auf kritische Stimmen wie jene des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell.

"Da ist die Gefahr, dass Österreich den Ruf des ehrlichen Maklers verliert, den es sich über Jahre aufgebaut hat", sagte Gärtner mit Blick auf die Nahost-Politik von Ex-Bundeskanzler Bruno Kreisky (1970-83) und die Wiener Atomgespräche mit dem Iran (2014/15). Die Verhandlungen hätten auf Wunsch Teherans in Wien stattgefunden, erinnerte Gärtner. Kurz, der damals österreichischer Außenminister gewesen sei, solle sich auf diesen "diplomatischen Erfolg" besinnen.

Gerade im Iran-Atomstreit sieht Gärtner auch eine Chance für eine "kleine Schnittmenge" zwischen Kurz und Trump. Der US-Präsident habe nämlich das Problem, dass seine Politik des maximalen Drucks auf den Iran nicht funktioniere. Österreich könnte sich, "wenn Trump das will, als Vermittler anbieten". Allerdings müsste dafür ein österreichischer Regierungsvertreter "sofort einen Besuch im Iran antreten, damit Österreich als Botschafter auftreten kann". Schließlich müsste auch Teheran eine etwaige Vermittlerrolle Österreichs akzeptieren.

Gärtner brachte etwa ein Treffen der regionalen Mächte zur Rüstungskontrolle in Wien vor, bei dem Vertrauensbildung im Sinne der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) im Kalten Krieg betrieben werden könnte. Daran könnte neben den USA und dem Iran auch Saudi-Arabien teilnehmen. Den Iran-Atomdeal dürfe Kurz "nicht verwerfen", auch wenn Trump dies wünsche.

Insgesamt geht Gärtner davon aus, dass das Gespräch von Kurz und Trump "asymmetrisch" verlaufen werde. "Trump wird versuchen, Kurz unter Druck zu setzen", etwa bei der Frage der von den USA abgelehnten russisch-europäischen Pipeline Nord Stream II. Hier habe der Kanzler wenig Spielraum, weil er die europäische Position vertreten müsse. Auf die Frage, warum Trump den österreichischen Bundeskanzler nach nur einem Jahr wieder treffe, meinte Gärtner, Kurz sei "Bundeskanzler eines europäischen Staates, der nicht einflussreich ist und nicht gefährlich werden kann".

Der US-Präsident werde wohl auch versuchen, das Treffen im beginnenden Präsidentschaftswahlkampf auszuschlachten, selbst wenn dies angesichts der geringen Größe Österreichs "ein bisschen schwierig" sei, sagte Gärtner. Kurz sollte "auf keinen Fall ein Endorsement (Wahlempfehlung, Anm.) abgeben". "Das Treffen an sich ist nicht schlecht, den Zeitpunkt kann man sich oft nicht aussuchen", begrüßte Gärtner grundsätzlich, dass Kurz neuerlich mit Trump zusammentrifft. Allerdings müsse der Kanzler verhindern, "einseitig unter Druck zu kommen" und "Chancen nützen". "Wenn er die Chance ein bisschen nützt, wäre es ein Erfolg."

Trump hatte Kurz im Februar 2019 im Weißen Haus empfangen. Der ÖVP-Chef war der erste österreichische Kanzler seit 13 Jahren, der es ins Oval Office schaffte. Trump versprach dem Kanzler damals "eine großartige Beziehung". "Ich muss Ihnen sagen, dass er ein sehr junger Führer ist. Sie sind ein junger Mann, was ziemlich gut ist", fügte er zum Auftakt des Gesprächs im Oval Office bei einem gemeinsamen Auftritt hinzu. US-Botschafter Trevor Traina berichtete danach, dass Trump Kurz als seinen Ansprechpartner in der Europäischen Union sehe. "Der Präsident sprach mit dem Kanzler, als ob er mit Europa spräche", sagte Traina. Kurz bemühte sich nach Kritik an als zu verständnisvoll kritisierten Aussagen zu versichern, man sei "in vielen Sachfragen unterschiedlicher Meinung". Greifbare Ergebnisse brachte das Treffen, das insgesamt rund eine Stunde dauerte, nicht.

Der zweite Besuch von Kurz bei US-Präsident Donald Trump ist für Anfang März "vorgesehen", wie das Bundeskanzleramt am Donnerstag auf APA-Anfrage erklärt hatte. Das BKA reagierte damit auf entsprechende Aussagen von US-Botschafter Trevor Traina in der "Tiroler Tageszeitung" (Freitagausgabe). Traina sagte in einem "TT-Interview", das Treffen sei "für die nahe Zukunft fixiert". Laut BKA wird Kurz (ÖVP) in den ersten März-Tagen in Washington an der Jahrestagung der israelisch-amerikanischen Lobbyorganisation AIPAC (The American Israel Public Affairs Committee) teilnehmen. Der Kongress findet vom 1. bis 3. März in der US-Hauptstadt statt. Rund um dieses Ereignis werde noch ein Termin mit Trump gesucht, hieß es. Im Rahmen seines USA-Besuch wird Kurz laut BKA zudem mit UNO-Generalsekretär António Guterres zusammentreffen.