APA - Austria Presse Agentur

Experte: Schlimmste Gewitterlage seit Jahrzehnten in Europa

Laut Klimaforscher Georg Pistotnik war das Unwetter in Niederösterreich und Tschchien "eines der schlimmsten" seit Jahrzehnten in Europa.

Georg Pistotnik, Klimaforscher der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) und nach Eigenaussage "leidenschaftlicher Gewitterforscher", war am Donnerstagabend im Weinviertel unterwegs.  "Den Tornado selbst habe ich nicht gesehen, aber heftigste Gewitter." In dem Ausmaß dürfte er so eine Wetterlage noch nicht erlebt haben: "Es war extrem. Ohne zu übertreiben kann man sagen, es war die schlimmste Gewitterlage seit Jahrzehnten in Europa", sagte Pistotnik der APA.

Völlig überraschend seien die Unwetter für die Experten aber nicht gewesen: "Wenn man die Wetterkarten gesehen hat, musste man denken, man glaubt es fast nicht. Man musste sich fast die Augen reiben." Eines der Gewitter habe in der Tschechischen Republik nahe der Grenze eben einen ungewöhnlich ausdauernden und für europäische Verhältnisse auch heftigen Tornado ausgelöst.

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Kommen weitere Gewitter?

Für die kommenden Tage muss man sich wenig Sorgen machen, dass weitere Wetterereignisse in dieser Dimension auf Österreich zukommen. "Es ist zunehmend harmloser. Heute sind im Südosten Gewitter zu erwarten, aber das steht in keinem Vergleich zu gestern", erwartet Pistotnik, der dementsprechend am Freitag nicht erneut ausrücken wird. Dazu habe es auch im Weinviertel einige Sturmschäden gegeben, die bei weitem noch nicht erfasst seien. "Es dauert sicher einen Tag, bis wir einen Überblick haben."

Der Klimawandel wird nach der Überzeugung des ZAMG-Forschers mehr Gewitter bringen. "Da können wir sicher sein", betonte Pistotnik. Durch wärmere Temperaturen sei mehr Energie in der Luft. Keine Aussagen könne man aber zu Tornados treffen. "Tornados sind Unfälle der Atmosphäre", erläuterte der Klimaforscher. Die Schwankungen zu deren Auftreten seien so stark, dass man keine Voraussagen treffen kann.

Dementsprechend muss man sich nach Pistotniks Überzeugung jetzt nicht darüber Gedanken machen, in Zukunft wie in der Tornadozone der USA wirbelsturmsicher zu bauen. Und auch gegen Hagel und Sturm könne man nur schwer etwas tun. Es gebe so gut wie keine Baumaterialien, die dem standhalten - und da komme die Kosten-Nutzen-Rechnung ins Spiel. "Das rechnet sich nicht. Wo wir am meisten lernen müssen, ist das Hochwasserrisiko", so der Klimaforscher.

Zwar seien Gewitter kaum relevant für großräumige Überschwemmungen, weil sie lokal begrenzte Wetterereignisse seien. Aber über die Ufer tretende Bäche, oder einfach nur abrinnendes Regenwasser ist ein Thema. "Wir müssen den Bächen mehr Platz geben. Es muss eine Renaturierung stattfinden, wo möglich, oder ausreichend dimensionierte Rückhaltebecken geben." Und das bedeutet auch, dass nicht zu nah an Bachufern gebaut wird.

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Eine Bauernregel besagt, dass Regen am Siebenschläfertag (27. Juni) Regen für sieben Wochen bedeutet. "Das ist natürlich Blödsinn. Was man aber sagen kann, ist dass sich die Wetterlage im Zeitraum Ende Juni relativ häufig umstellt und dann die vorherrschende Wetterlage im Sommer bleibt", erläuterte Pistotnik, der zugleich darauf hinwies, dass Langfristprognosen, also für Monate oder gar Saisonen, "Experimentalcharakter" haben und daher mit großer Vorsicht zu genießen sind. Wenn man sich aber die Prognose für die kommenden Tage ansehe – zu Beginn der kommenden Woche soll es wieder heiß werden –, dann könnte man von einem von Hitzewellen, aber auch von Gewittern geprägten Sommer 2021 ausgehen. Das fußt eben auf den Erfahrungswerten, dass Ende Juni relativ häufig die Wetterlage entsteht, die für den Sommer prägend ist.

Und wie wirkt sich der Klimawandel auf die Extremereignisse aus? "Die banalste Aussage ist, dass, wenn die Temperatur zunimmt – denn das ist eine Größe, die relativ berechenbar ist –, es mehr Hitzewellen im Sommer und weniger Kältewellen im Winter gibt", erläuterte Pistotnik. Beim Niederschlag sei das wesentlich schwieriger zu berechnen, und das sei ein Prozess, der derzeit läuft.

Hier müsse man die Klimatabellen auswerten und schauen, "ob sie die Gegenwart gut repräsentieren. Beim Niederschlag gebe es Perioden fast ohne Niederschlag und kurze Perioden mit sehr intensiven Niederschlägen, bei Hitzewellen etwa.

Was die ExpertInnen aber schon glauben, feststellen zu können: Der Niederschlag wird nicht mehr in Mitteleuropa, er verlagert sich aber tendenziell in den Winter und fällt weniger als Schnee. Pistotnik prognostizierte, dass es in Wien zum Beispiel oder in Graz bald Winter komplett ohne Schnee geben wird.

Die Sommer werden von weniger Regen als in der Vergangenheit geprägt sein. Wenn es aber regnet, dann heftig, und er fällt dann auf einen trockenen Boden, der das Wasser nur unzureichend aufnehmen kann. "Hier müssen wir ganz stark von den südeuropäischen Staaten lernen. Italien etwa hat hier in den vergangenen Jahren schon sehr viel gemacht", sagte der Klimaforscher der ZAMG.