APA - Austria Presse Agentur

Experte warnt vor "Spezialisierung" des Bundesheeres

Der Militäranalyst Franz-Stefan Gady erklärt in einer aktuellen Analyse, welche Schlüsse für das österreichische Bundesheer aus dem Ukraine-Krieg gezogen werden sollten. Das Bundesheer müsse das gesamte militärische Spektrum abbilden, eine "Spezialisierung" auf bestimmte Bereiche wäre ein Fehler. "Jeder zukünftige Krieg wird sich nicht nur auf eine Dimension beschränken, sondern zu Land, See, Luft, im Cyber- und Weltraum geführt werden", erläutert Gady gegenüber der APA.

"Zumindest ein Kern des Bundesheeres muss daher im kleinen Rahmen fähig sein, im gesamten militärischen Spektrum zu operieren. Das heißt, wir brauchen eine kleine aber feine Panzertruppe mit Langstrecken-Präzisionsartillerie, die von Angriffen aus der Luft durch eine Flugabwehr geschützt ist. Wir brauchen eine Jägertruppe die im Verbund mit bewaffneten Drohnen operieren kann. Wir brauchen eine effektive Cyber-Verteidigung, die von elektronischen Kampftruppen und unseren Nachrichtendiensten unterstützt wird. Und wir brauchen eine Luftwaffe, die auch fähig ist Kampfmissionen zu fliegen. Das alles wäre mit einem Sonderbudget von ein paar Milliarden und einer Anhebung des Verteidigungsbudgets auf rund ein Prozent des BIPs möglich", so Gady, der am Londoner Internationalen Institut für Strategische Studien (IISS) tätig ist.

Egal, welche Entscheidungen letztendlich getroffen werden: Sie werden die Sicherheit jeder Österreicherin und jedes Österreichers langfristig beeinflussen. Das Grundproblem vieler Bürger und Politiker in verteidigungspolitischen Debatten scheine aber zu sein, dass sie die alltägliche Logik von Politik und Wirtschaft zwar meistens verstehen, die paradoxe Logik des militärischen Wettbewerbs ihnen aber fremd zu sein scheine, analysiert Gady und versucht eine Erklärung: Schon der römische Aristokrat Publius Vegetius habe die paradoxe Logik des Krieges im vierten Jahrhundert nach Christus gut zusammengefasst: "Wer den Frieden will, bereite den Krieg vor." Mit anderen Worten: Militärische Stärke könne den Ausbruch von Kriegen verhindern, weil sie einen potenziellen Gegner unmittelbar abschreckt.

"Eine gut kalibrierte Aufrüstung der Streitkräfte ist also quasi eine Versicherungspolizze - mit dem Unterschied, dass man nicht nur vor den finanziellen Konsequenzen geschützt ist, wenn diese Polizze abgeschlossen ist, sondern die Gefahr reduziert wird, dass ein Unfall (also ein Krieg) in Zukunft überhaupt passiert. Wie kann man nun durch so eine Versicherung - eine gut kalibrierte Aufrüstung - den bestmöglichen Schutz erlangen?", schrieb Gady am Wochenende in einer Analyse für die "Kleine Zeitung".

Dieser Schutz werde "mit Sicherheit nicht durch die oft genannte Spezialisierung in den Bereichen Cyber, ABC-Abwehr und dem Pionierwesen, ohne eine Aufwertung der militärischen Grundfähigkeiten" erreicht. "Denn die Zukunft des Krieges liegt im sogenannten Kampf der verbundenen Waffen." Das bedeutet, dass das erwähnte "gesamte militärische Spektrum" abgedeckt werden sollte. "Mit einer Spezialisierung würden wir also unsere Versicherungspolizze schwächen und das Risiko eines militärischen Konflikts erhöhen. Setzen wir alles auf die wahrscheinlichste Karte, erhöhen wir die Chancen, dass unwahrscheinliche Szenarien mittelfristig Realität werden. Wenn wir uns also nur auf Cyberverteidigung und ABC-Abwehr konzentrieren, erhöht es laut paradoxer Logik des Krieges das Risiko, dass ein potenzieller Gegner uns mit konventionellen Mitteln (etwa Drohnen und Raketen) angreift."

Auch eine etwaige Spezialisierung im Rahmen einer europäischen Streitkraft wäre ein großer Irrtum. Denn ohne die Fähigkeit im Kampf der verbundenen Waffen sei die Integration mit anderen Streitkräften in Europa ebenfalls nicht mehr möglich.

"Hier entstehen aber fundamentale Kommunikations- und Verständnisprobleme zwischen Militärstrategen und dem Rest der Bevölkerung: Das Hauptziel jeder neuen militärischen Anschaffung ist es nämlich, sie nie einzusetzen. Hier teilt die paradoxe Logik des Krieges also militärische Effektivität und bürokratische Effizienz und macht die Anschaffung von neuen Waffensystemen politisch schwierig. Wer kauft denn schon etwas, das er nie benutzen will? Antwort: ein vernünftiger Verteidigungspolitiker", so Gady.