APA - Austria Presse Agentur

EZB wegen Corona-Ausbreitung besorgt - Konjunkturziele offen

Die zunehmende Ausbreitung des Coronavirus in Europa beunruhigt auch die Europäische Zentralbank (EZB) immer mehr. "Wir alle sind sehr besorgt über das, was gegenwärtig im Hinblick auf die Ausbreitung des Coronavirus passiert", sagte EZB-Direktorin Isabel Schnabel am Donnerstag in London. Falls sich das Virus stärker in Europa festsetze, könne die Notenbank darüber nicht hinwegsehen.

Die Unsicherheit nehme in erheblichem Maße zu. Das gelte für die globalen Wachstumsaussichten, "aber natürlich auch für die Aussichten der Eurozone.." Am Geldmarkt wird inzwischen fest damit gerechnet, dass die Währungshüter wegen der Virus-Erkrankung in diesem Jahr einen ihrer Schlüsselzinsen noch tiefer senken wird.

Mittlerweile werden mehr Neuinfektionen aus Ländern außerhalb Chinas gemeldet als aus der Volksrepublik. In Europa ist Italien besonders betroffen. Das schürt die Sorgen vor einer Konjunkturabkühlung. Zahlreiche Firmen haben bereits ihre Prognosen heruntergeschraubt. Für die Geldpolitik sind laut Schnabel die möglichen mittelfristigen ökonomischen Folgen wichtig. "Und gegenwärtig ist das unklar." Auch aus Sicht des niederländischen Notenbankchefs Klaas Knot ist es zu früh, um die Auswirkungen abzuschätzen. Die Folgen seien aber gravierender als beim SARS-Virus. Die Atemwegserkrankung war 2002 ebenfalls in China ausgebrochen und hatte sich in anderen Ländern verbreitet. Damals war das Reich der Mitte aber noch nicht so stark in die globalen Lieferketten eingebunden wie heute.

"Die Wahrscheinlichkeit für eine Reaktion der EZB ist gestiegen", sagte Florian Hense, Volkswirt bei der Berenberg Bank in London. Bisher sei die Notenbank von einem V-förmigen Verlauf der Krise ausgegangen, bei der auf einen wirtschaftlichen Dämpfer eine rasche Erholung folgt. Nach den jüngsten Informationen zu den Infektionen in Europa rücke die EZB aber etwas von dieser Erwartung ab. Sie könne etwa ihren geldpolitischen Ausblick verstärken, Kredite noch günstiger gestalten oder auch die Zinsen noch tiefer senken. "Für die Zinssitzung Anfang März ist es dafür aber womöglich noch zu früh."

Das Coronavirus trifft die Eurozone zu einer Zeit, in der die Wirtschaft ohnehin schwächelt. Im vierten Quartal war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der 19-Ländergemeinschaft gerade einmal um 0,1 Prozent zum Vorquartal gestiegen. Investoren rechnen damit, dass die EZB ihren Einlagensatz bis zum Jahresende noch tiefer in den negativen Bereich herabsetzen werde. Aus den Kursen der Zinsfutures geht hervor, dass eine Senkung des Satzes auf minus 0,6 von aktuell minus 0,5 Prozent erwartet wird. Ein Minuszeichen bedeutet, dass Banken Strafzinsen zahlen müssen, wenn sie über Nacht bei der Notenbank überschüssiges Geld parken. Der Satz ist bereits seit 2014 negativ. Ihren Leitzins hält die EZB seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent.