APA - Austria Presse Agentur

Fast-Essenlieferant Adel Tawil mit neuem Album "Spiegelbild"

Adel Tawil ist in sich gegangen und hat sich in seinem Album "Spiegelbild" selbst reflektiert. Auch wenn manche Gedanken düster ausfielen, seinem eingängigen Pop-Sound blieb er treu. "Vielleicht bin ich nicht so der Typ mit vielen Ecken und Kanten", sinnierte der 44-Jährige im APA-Gespräch über seinen Stil. Wohl hat die Pandemie auf einigen Songs Spuren hinterlassen. Während des Lockdowns wäre der Berliner übrigens beinahe zum Fahrrad-Essenszusteller geworden, verriet er.

"Als es los ging, war es ja eher so wie hitzefrei in der Schule. Auf einmal kam alles zum Stillstand. Ich habe das so angenommen", erinnerte sich der Berliner an die Zeit, als Corona um sich griff. Dann sei es "irgendwann bergab" gegangen: "Keine Konzerte, kein Sport, Fitnessstudios zu. Ich habe ständig Essen bestellt und mich nur noch von Schrott ernährt. Man hat zugenommen und zu viel Alkohol getrunken. Man wusste nicht, was man mit sich anfangen soll."

Zu Weihnachten blickte Tawil in den Spiegel und sagte zu sich selbst: "Adel, das geht nicht so weiter." Also habe er angefangen, täglich Sport zu betreiben, sein Französisch zu vertiefen, "dann noch Gitarre und Yoga". Und mit einem Lächeln: "Als ich die hundertste Pizza bestellt habe und diese mit dem Rad geliefert wurde, dachte ich, das sei der Ausweg. Man ist ständig auf dem Fahrrad unterwegs, man kommt unter Leute." Also hat Tawil tatsächlich online einen Bewerbungsbogen bei einem Lieferdienst ausgefüllt. "Die waren auch interessiert! Aber dann ging es wieder mit der Musik los. Bis heute bekomme ich Nachrichten von ihnen, dass ich ins Profil passe und bitte anfangen soll."

Während der Lockdowns sei an Songschreiben nicht zu denken gewesen, erzählte der Sänger, einst mit Annette Humpe als Ich + Ich unterwegs: "Ich brauche dazu das normale Leben. Wenn ich mit offenen Augen und Ohren durchs Leben gehe, fallen mir Dinge ein. Es wäre ein ganz depressives Album geworden, wenn ich die Lieder beim Zuhausesitzen geschrieben hätte. Ich habe mir die großen Fragen des Lebens gestellt, wie wohl jeder damals. Ein Einsiedler-Höhlenmensch-Album hat mich aber nicht interessiert. Ich will am Ende immer einen Lösungsweg aufzeigen, der Funke Hoffnung muss in meiner Musik da sein."

Daher trifft im Titelsong "Spiegelbild" eine nachdenkliche Zeile wie "diese Welt ist viel zu schmutzig, weil man vom Dreck hier nicht genug kriegt" auf eingängige Melodien. "Das ist die Königsdisziplin", meinte Tawil, "zu einem traurigen Text ein stimmungsvolles, happy Playback zu machen - oder umgekehrt. Der Beat geht nach vorne, macht Spaß, auch wenn die Aussage düster ist. In dem Song geht es darum, dass man sich verliert, dass man sich selbst nicht mehr erkennt oder eine Person nicht mehr bei einem ist. Das ist einer der Songs auf dem Album, die deutlich von der Pandemie-Zeit geprägt sind."

Die Arbeit an dem neuen Album war auch so was wie Therapie. Tawil nannte in diesem Zusammenhang das Lied "Stolz": "Ich habe sehr hohe Ansprüche an mich selbst. Ich finde immer die Stecknadel im Heuhaufen. Selbstliebe fällt mir schwer. Da wollte ich dieses Lied schreiben - hey, du hast auch was gut gemacht."

Liest man die Reaktionen der Fans auf seine Arbeit, stößt man ständig auf das Wort Gefühl. "Das ist das Entscheidende", sagte Tawil. "Mir ging es immer um die Emotion. Das hat Annette in mir noch gestärkt. Im Studio dreht sich viel um Style. Annette war immer ganz konsequent und hat gesagt: Inhalt vor Form. Das Gefühl muss erst mal stimmen, dann könnt ihr an dem Song spielen und herumbasteln. Das habe ich mir zu Herzen genommen."

"Teilweise nachvollziehen" kann Tawil die Meinung mancher Kritiker, sein Sound sei glatt und habe keine Kanten, das sei nicht zuletzt seiner Mentalität geschuldet: "Ich gehe recht positiv durch die Welt und selbst in misslichen Lagen, in denen wir gerade sind, sei es der Klimawandel oder der Krieg in Europa, glaube ich an das Gute im Menschen. Ich fühle mich ganz wohl in dieser Haut."

(S E R V I C E - adel-tawil.de)