APA - Austria Presse Agentur

Felix Hoffmann: "Immer noch viel zu wenig" Wiener Fotohäuser

In gut eineinhalb Jahren soll das Foto Arsenal Wien eröffnen. Für das Profil des neuen Fotografiezentrums unweit des Hauptbahnhofs ist der künstlerische Leiter Felix Hoffmann verantwortlich. Mit der APA sprach Hoffmann über seine Pläne, wie er Leute an den dezentralen Standort locken will, den Wahrheitsgehalt von Bildern und warum ein ikonisches Foto nicht unbedingt auch ein gutes sein muss.

APA: Gleich zu Beginn die Frage aller Fragen: Was ist ein gutes Foto?

Felix Hoffmann: Oh wow... (überlegt) In einem guten Foto müssen wahrscheinlich sehr viele Aspekte zusammenkommen. Ich sage immer: Wahrscheinlich gibt es kein gutes Foto, sondern ein Foto muss angeschaut werden, es muss zirkulieren. Oft sind Fotos, die ikonisch werden, gar nicht zwingend gut, sondern sie sind einfach in den Medien oder durch Handhabung so oft irgendwo gezeigt worden, dass sie sich im kulturellen Gedächtnis oder in der kulturellen Praxis verankert haben.

APA: Am 1. Juni beginnt die erste Foto Wien unter Ihrer Verantwortung. Was war Ihnen wichtig bei der Konzeption?

Hoffmann: Uns ist wichtig, dass die Foto Wien eine Plattform ist, die Brücken in die Stadt baut. Das Eröffnungswochenende läuten wir ein mit einer Gruppenausstellung. Es geht sehr stark um den Blick in den Osten, um Kriegs- und Krisensituationen. Was tun Bilder mit uns, die da gerade in der Ukraine entstehen? Und darauf aufbauend: Welchen Wahrheits- oder Realitätsgehalt hat die Fotografie generell, und welchen bekommen wir aktuell über Medienbilder gespiegelt? Es geht sehr stark um die Fragestellung, wie wir als Gesellschaft mit Bildern umgehen und ob wir dem, was wir da sehen, trauen und vertrauen können. Das sind Grundparameter, mit denen wir uns auf der Foto Wien auseinandersetzen wollen.

APA: Wird die Frage nach der Authentizität in der Fotografie durch Künstliche Intelligenz noch relevanter?

Hoffmann: KI wird als Fragestellung gerade so hochgespielt. Aber die Frage um Deep Fake und alles was damit zusammenhängt, verhandeln wir ja schon seit Jahrzehnten. Es geht um Manipulationsmöglichkeiten. Man muss sich klarmachen, dass es das zu einem gewissen Grad immer schon gab - in dem Moment, wo ich einen Ausschnitt und Blickwinkel wähle und danach etwas in der Dunkelkammer oder am Rechner verändern kann. Jetzt greift KI nochmal stärker in die Grundstruktur von Bildern ein. Wir müssen uns als Gesellschaft noch viel mehr mit Autorenschaft, Interessen, Propaganda auseinandersetzen. Wie können wir lernen, mit diesem ganzen Zeug umzugehen...

APA: Gibt es Ihrer Beobachtung nach so etwas wie eine speziell österreichische Fotografie?

Hoffmann: In Österreich gibt es jedenfalls eine gute historische Auseinandersetzung mit dem Medium. Im Zeitgenössischen gibt es viele unterschiedliche Ausprägungen. Da könnte ich gar nicht sagen, dass es da die eine Handschrift oder die eine Schule gäbe. Was mir schon länger klar war: Es gibt im journalistischen Bereich mit den drei Fotomagazinen "Fotogeschichte", "Camera Austria" und "Eikon" einen großen Reichtum.

APA: Derzeit leben wir in einer sehr krisengebeutelten Welt - von Ukrainekrieg bis Klimakatastrophe. Inwiefern schlägt sich das in der Fotografie nieder?

Hoffmann: Da gibt es unterschiedliche Phänomene. Man kann alles, was in der Welt passiert - ökologische, politische oder identitätspolitische Fragen - fotojournalistisch anschauen, also hinfahren und etwa die schmelzenden Gletscher anschauen und fotografieren. Oder ich kann es reflektieren und stärker in den Kontext stellen. Da muss man glaube ich auch unterschiedliche Sprachen entwickeln, die es in Wien ja auch an unterschiedlichen Ausstellungsorten schon gab. Im Kunsthaus wurden zum Beispiel sehr viele Fragen über Fotografie und Ökologie gestellt. Wir wollen uns aber breiter aufstellen und nicht nur auf eines fokussieren.

APA: Wird das Foto Arsenal nach der Foto Wien im Museumsquartier weiter sichtbar sein bis zum Umzug?

Hoffmann: Ja, für ein Jahr. Unsere Ausstellung "Crossing Lines" im Zuge der Foto Wien im Museumsquartier läuft bis zum 20. August. Danach eröffnen wir Ende August schon die nächsten zwei Ausstellungen im Freiraum und im Salon. Danach machen wir in einem relativ schnellen Rhythmus noch einmal zwei oder drei Slots, bevor wir Ende Juni 2024 die Interimsnutzung beenden und raufgehen ins Arsenal.

APA: Gibt es schon einen Eröffnungstermin für den Arsenal-Standort?

Hoffmann: Geplant ist Anfang 2025.

APA: Wie werden Sie die Räumlichkeiten bespielen?

Hoffmann: Wir sind ein reines Wechselausstellungshaus, und der Auftrag ist, sowohl thematische als auch monografische Ausstellungen zu entwickeln und sich die ganze Bandbreite von Fotografie anzuschauen, wobei ich Fotografie als Schmelztiegel verstehe, wo es sehr stark um die Verbindung von statischem und bewegtem Bild, aber auch um Digitalität geht. Wir werden also immer mehrere Ausstellungen gleichzeitig zeigen und versuchen, unterschiedliche Schwerpunkte zu setzen. Für die erste Zeit werden wir aber sicherlich ein Programm machen müssen, damit die Leute diesen Ort finden. Denn wir müssen uns klarmachen, dass hinter dem Belvedere, dem Belvedere 21 und dem Heeresgeschichtlichen Museum sehr viel Pionierarbeit nötig ist, um die Leute aus dem 1. Bezirk dorthin zu bekommen. Da braucht man gerade am Anfang auch Namen, die man schon mal gehört hat.

APA: Haben Sie schon Ideen?

Hoffmann: Nee, das ist alles irgendwie noch im Suppentopf. Das gibt es noch nix, worüber ich schon reden könnte.

APA: Auf welche Sammlungen können Sie für das Foto Arsenal zugreifen?

Hoffmann: Eigentlich auf alle. Wir kriegen ein tolles Gebäude, das vollklimatisiert ist. Deshalb können wir auf internationale Sammlungen zurückgreifen, bei denen immer die Frage der konservatorischen Bedingungen eine große Rolle spielt.

APA: In Wien gibt es mit dem West -und Ostlicht oder dem Kunsthaus ja bereits etablierte Fotoinstitutionen. Wie viel Platz ist da für ein zusätzliches Haus?

Hoffmann: Es gibt auch noch die Albertina, das Wien Museum mit tollen Fotosammlungen oder Bonartes. Wenn Sie mich fragen, ist das für eine Kulturmetropole immer noch viel zu wenig. Wenn wir viel machen, werden wir zwischen neun und zwölf Ausstellungen im Jahr schaffen. Das ist für das, was mir angetragen wird und was wir als Team für Ideen haben, noch immer viel zu wenig. Bestimmte Sachen können und wollen wir auch gar nicht abdecken, weswegen es super ist, dass es so viele Player in der Stadt gibt. Eigentlich müsste es noch mehr geben.

APA: Westlicht-Leiter Peter Coeln war bei der Präsentation des Foto-Arsenal-Vorhabens im Vorjahr sehr vorsichtig. Gibt es inzwischen vielleicht sogar einen fruchtbaren Austausch?

Hoffmann: Total. Ich schätze Peter Coeln und seine lange Pionierarbeit in der Stadt sehr. Er hat über einen langen Zeitraum sehr viel in Wien aufgebaut. Wir versuchen, so gut es geht zusammenzutun. Aber Coeln ist ja nicht nur jemand, der ein Ausstellungshaus betreibt, sondern er hat eine Privatsammlung und die Galerietätigkeit. Da gab es in der Vergangenheit einfach andere Interessen. Ich tue wirklich alles was ich kann, um die Fotografie weiter nach vorne zu bringen. Mir geht es darum, den Standort Wien zu stärken, weil Wien den großen Vorteil hat, dass es viel stärker nach Süd- und Osteuropa strahlt als Berlin, wo ich bisher war.

APA: Wissen Sie schon, wie viel Budget Sie für das Arsenal zur Verfügung haben werden?

Hoffmann: Wir sind grade sehr stark am Verhandeln, weil wir auch die Foto Wien mit deutlich weniger Budget umgesetzt haben als in der Vergangenheit und das Foto Arsenal auch noch Budget braucht.

APA: Dank Smartphones und Social Media werden inzwischen permanent Fotos gemacht und verbreitet. Ist das gut oder schlecht für die Fotografie?

Hoffmann: Jeder, der professionell in den vergangenen 30 Jahren mit einer Kamera durch die Welt gegangen ist, merkt: Der Berufsstand ist echt auf dem Prüfstand. Zwischen vor der Pandemie und jetzt gibt es 70 Prozent weniger Leute, die von dem Job leben können. Die andere Dynamik ist: Wir haben viel mehr mit dem Medium zu tun. Das beeinflusst natürlich alles. Aber die künstlerischen Praktiken reflektieren das ja immer wieder und ich sehe da wahnsinnig viel Potenzial auch gerade im Hinblick auf ein kulturelles Verständnis dieses Mediums.

(Das Interview führte Thomas Rieder/APA)

(ZUR PERSON: Felix Hoffmann wurde am 8. November 1972 im deutschen Rain am Lech geboren. Ab 2005 war er Hauptkurator der C/O Berlin Foundation, wo er für Ausstellungen, Programme und Strategie verantwortlich zeichnete. Davor studierte er Kunstgeschichte und Kulturwissenschaften in Wien und Berlin und war anschließend am Museum Folkwang in Essen, dem Kupferstichkabinett in Dresden und dem Fotomuseum München als Stipendiat der Krupp Stiftung tätig. Im Vorjahr wurde er von Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) zum Leiter des neuen Foto Arsenal Wien, das bis zu seiner Eröffnung Anfang 2025 am Standort Arsenal beim Hauptbahnhof im Museumsquartier residiert. Das FAW zeichnet ab heuer auch für das biennal stattfindende Festival Foto Wien verantwortlich.)