APA - Austria Presse Agentur

Festivalchef Steidl: "Keine Strategie der Politik zu sehen"

Der Ärger ist Mario Steidl anzumerken. Dieser Tage jährt sich der Ausbruch des Coronavirus in Österreich zum ersten Mal, beinahe genauso lange leidet die Kulturbranche unter den Maßnahmen zur Eindämmung. Für den Leiter von Jazzfestival und Kunsthaus Nexus in Saalfelden bedeutet das oft ins Leere führende Planungsarbeit und viel Frustration. "Man wird die ganze Zeit vertröstet", ist er über das Vorgehen der Regierung erbost und fordert endlich eine Perspektive.

"Wir hanteln uns von hartem Lockdown zu Lockdown light und irgendwas dazwischen durch", beschreibt Steidl im APA-Interview seine Gemütslage. "Da ist man permanent in dem Rad drinnen aus 'planen, umplanen und absagen'." Erst kürzlich musste das zunächst verschobene Winterfestival "3 Tage Jazz" gecancelt werden. "Es ist von dieser Regierung einfach überhaupt keine Strategie oder Perspektive zu sehen", so Steidl. "Mir ist schon klar, dass es schwierig ist." Ohne Vorgaben könne aber kein Veranstalter arbeiten.

"Gerade ein Festival hat längere Vorlaufzeiten", führt er das sommerliche Großevent Jazzfestival Saalfelden ins Treffen. "Da brauchen wir eine Ansage, einen klaren Schlüssel, der besagt: So viele Leute auf so vielen Quadratmetern unter diesen oder jenen Umständen." Auch eine bestimmte Inzidenz als Richtwert ist für Steidl denkbar, "oder Eintrittstests. Es dringt ja jetzt schon durch, dass es ohne nicht gehen wird. Damit haben wir auch kein Problem. Aber dann muss man das auch sagen, dass es unter diesen Umständen geht."

Zudem vermisst der Kulturmanager innovativere Lösungsansätze. "Wir leben schließlich im digitalen Zeitalter, auch wenn es in Österreich nicht den Anschein hat. Also wird es Zeit, seitens der Regierung an Lösungen zu arbeiten, die etwa persönliche Tests zuhause mit einem Foto und QR-Code am Handy verbinden, um damit den Zugang zu Veranstaltungen zu ermöglichen."

"Natürlich ist all das in einer Pandemie schwierig - nur befinden wir uns bereits seit einem Jahr in dieser Situation", unterstreicht Steidl. "Man muss irgendwann in die Gänge kommen und etwas anbieten, anstatt immer nur zuzudrehen." Das betreffe aber nicht nur Kultur oder Tourismus, auch "mit den Schulen haben sie es nicht auf die Reihe bekommen. Stattdessen hantelt sich die Regierung von Pressekonferenz zu Pressekonferenz und erklärt, dass die nächsten zwei Wochen schwierig werden", so Steidl. "Ja, aber das hören wir seit bald 52 Wochen!"

Die Kultur habe im Vorjahr mit ihren Präventionskonzepten bewiesen, dass Events auch unter Coronabedingungen stattfinden könnten. "Mit Abstand, Maskenpflicht und zugewiesenen Sitzplätzen - und es hat geklappt", betont der Festivalmacher. "Weder wir, noch die Salzburger Festspiele oder das Zwischenräume-Festival hatte einen einzigen positiven Fall. Das sind doch Zeichen, dass es funktionieren kann."

Mittlerweile sei die Situation so, dass er sich "2020 zurückwünsche", sagt Steidl, "weil es heuer noch konfuser ist. Das hätten wir uns natürlich nicht gedacht. Andererseits ist der Vorteil jetzt, dass wir die notwendigen Konzepte schon ausgearbeitet haben und auf diese zurückgreifen können." Im Kunsthaus Nexus, wo aktuell das gesamte Team in Kurzarbeit ist, könne man so "morgen schon wieder aufsperren, wenn es möglich wird. Und so, wie wir daraus gelernt haben, wäre es wichtig, dass auch die Regierung lernt und sieht, dass es in der Kultur funktioniert." Stattdessen herrsche "komplette Planlosigkeit".

Auf der anderen Seite stellte Steidl den Fördergebern ein positives Zeugnis aus. "Ich muss mich bei allen, von der Stadt über das Land bis zum Bund, bedanken, weil wir die Förderungen in normaler Höhe bekommen und so auch diese Situation meistern können." Inklusive Fixkostenzuschuss und NPO-Fonds seien die Arbeitsplätze gesichert. "Und jeder von uns steht in den Startlöchern und freut sich schon wieder auf die Arbeit."

Für das Publikum setzt das Kunsthaus unterdessen auf vereinzelte Videostreams - nach dem Konzert der Gruppe Zeit:los folgt als nächstes eine Aufzeichnung von Kabarettist Mike Supancic - sowie Produkten aus der hauseigenen "Genuss Werkstatt". "Wir haben die Zeit genutzt, um unsere Gastro umzustellen und wirklich alles selber zu machen", so Steidl. "Schon bisher haben wir Kulturveranstaltungen mit kulinarischen Events verbunden, was super angenommen wurde. So kommen die Leute auch ins Gespräch, das ist alles Teil von Kultur - und der Erfolg gibt uns recht."

Andererseits sei die Pandemie laut Steidl eine Gelegenheit für ein gesellschaftliches Umdenken. "Wir haben mittlerweile eine so starke Umverteilung von unten nach oben, die Vermögenden werden immer vermögender. Also wäre es höchst an der Zeit, über ein bedingungsloses Grundeinkommen, eine Vermögenssteuer und eine Solidaritätsgemeinschaft zu diskutieren. Die Pandemie bringt nochmals zum Ausdruck, dass unser neoliberales, kapitalistisches Wirtschaftssystem das falsche ist und wir uns überlegen müssen, wie wir anders leben können."

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)