APA - Austria Presse Agentur

Film über Weinstein-Skandal in New York gefeiert

Es war nur eine Frage der Zeit, bis Harvey Weinstein einen Hollywoodfilm bekommen würde, aber eigentlich geht es in Maria Schraders Drama "She Said" gar nicht um den Schurken der Geschichte, sondern die Frauen, die jahrzehntelang ungehört blieben. Das MeToo-Drama feierte gestern Abend seine Weltpremiere beim New York Film Festival. Der Film kommt am 8. Dezember in die österreichischen Kinos.

"She Said" beginnt nicht in New York City, sondern in Irland im Jahr 1992, wo eine junge Laura Madden auf ein Filmset von Miramax stolpert und einen Job bei der Firma annimmt. In der nächsten Szene sehen wir wie sie tränenüberströmt durch die Straßen läuft. Sie wird später eine der ersten Frauen sein, die über ihre Erfahrungen mit Harvey Weinstein spricht, was zu einer der bewegendsten Szenen im ganzen Film führt.

Aber im Grunde ist dies ein hart gesottener, sehr sachlicher, potenter Zeitungsfilm mit Journalistinnen, die sehr viel telefonieren und Papierkram zu erledigen haben, wenn sie nicht auf ihre Kinder zu Hause aufpassen. In Form eines klassischen Journalismusthrillers wie Tom McCarthys preisgekröntes Drama "Spotlight" (2015) folgt "She Said" den beiden mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Journalistinnen Jodi Kantor und Megan Twohey, auf deren gleichnamigem Buch das Drama auch basiert und die am Donnerstagabend auf der Kinobühne gefeiert wurden wie das restliche Team.

Ein Artikel der beiden in der New York Times deckte Harvey Weinsteins über Jahrzehnte praktizierten sexuellen Missbrauch im Jahr 2017 auf. Heute wissen wir alle, wie die Geschichte endet. Weinstein landete im Gefängnis, nachdem er 2020 in New York zu einer 23-jährigen Haftstrafe verurteilt wurde, und die MeToo-Bewegung wurde ins Leben gerufen.

Getreu seinem Titel besteht ein Großteil von "She Said", geschrieben von Rebecca Lenkiewicz ("Ida") und unter Regie der deutschen Filmemacherin Maria Schrader ("Ich bin dein Mensch") aus Gesprächen, in denen Megan Twohey (Cary Mulligan) und Jodi Kantor (Zoe Kazan) versuchen, eine Litanei von Geheimhaltungsvereinbarungen zu überwinden, um Weinsteins Opfer dazu zu bringen, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Die Erinnerungen der ehemaligen Assistentinnen Zelda Perkins (eine großartige Samantha Morton) und Rowena Chiu (Angela Yeoh), die beide Anfang der 1990er Jahre Geheimhaltungsvereinbarungen unterzeichnet hatten, und einer erwachsenen Lauren Madden (Jennifer Ehle) sind alle ein Schlag in die Magengrube.

Auch die Geschichten von Weinsteins berühmteren Opfern werden miteinbezogen. Rose McGowan ist eine Stimme am Telefon. Über Gwyneth Paltrow wird viel gesprochen. Ashley Judd, dessen Aussage viele andere Frauen ermutigte, spielt sich selbst. Dass "She Said" in New York auf einem Festival uraufgeführt wurde, bei dem Weinstein einst Stammgast war, machte den Abend natürlich besonders bedeutungsschwanger.

Das Drama ist sehr zurückhaltend. Man sieht den Missbrauch nie. Vielmehr sehen wir Leerstellen: wie die Kamera einen leeren Hotelkorridor beobachtet; Damenunterwäsche auf dem Boden verstreut; ein weißer Bademantel auf dem Bett; und eine Dusche, die im Badezimmer läuft. Es ist eine geschmackvolle Regieentscheidung. Wir sehen auch Harvey Weinsteins Gesicht nie, sehen nur einmal seinen Rücken und hören seine wütende Stimme am Telefon. Es ist so als würde Maria Schrader sagen wollen: Das ist nicht der Film von Harvey Weinstein. Er gehört nicht ihm. Er gehört all den Frauen, die er ihrer Stimmen beraubt hat.

Wer den Medienberichten damals gefolgt ist, für den wird sich dieser Film vielleicht wie ein grausames Déjà-vu anfühlen. Man kennt vieles aus der damaligen Berichterstattung, aber wir wussten vielleicht bisher nicht, wie viel Mut und Herzblut in diese Geschichte geflossen ist, und die Hauptdarstellerinnen tun das Gleiche.

Was Harvey Weinstein betrifft: Der 70-Jährige wird derzeit in Los Angeles wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung ein zweites Mal vor Gericht gestellt. Er hat auf "Nicht schuldig" plädiert. Während der Anhörungen vor dem Prozess forderten seine Anwälte eine Verschiebung des Prozesses wegen der Veröffentlichung von "She Said". Der Antrag wurde abgelehnt.