Forderungen nach Maßnahmen gegen Personalmangel in Pflege
Bereits im Sommer haben sich die Organisationen in einem Offenen Brief an die Regierung gewandt. "Verstehen Sie es als neuerlichen Weckruf, aber auch als Hilferuf im Namen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", so Michael Opriesnig, Generalsekretär des Roten Kreuzes. Bis 2030 würden 100.000 Pflegekräfte fehlen. Allein im Bereich der Langzeitpflege würde es der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG) aus Caritas, Volkshilfe, Diakonie, Rotem Kreuz und Hilfswerk mit Stand Oktober an 1.400 Pflegepersonen mangeln. Folge: "Es gibt Wartelisten, es kommt zu Situationen, denen unsere Kollegen ausgesetzt sind, die sie nicht gewohnt sind - verzweifelte Angehörige, Wutausbrüche."
Die Gründe für den Personalmangel seien vielfältig, schilderte der Geschäftsführer der Sozialwirtschaft Österreich, Walter Marschitz. Einerseits habe es einen Geburten-Peak Ende der 1930er, Anfang der 1940er Jahre gegeben. Diese Personen seien bzw. würden nun pflegebedürftig. Schlechte Nachricht für die nähere Zukunft: Auch die Jahre bis zum Höhepunkt des Babybooms 1963 seien noch verhältnismäßig geburtenstark gewesen. Dazu komme, dass es mit Einführung des Pflegegelds Anfang der 1990er Jahre zu einem starken Anstieg der Arbeitskräfte in diesem Bereich gekommen sei, die nun langsam ins Pensionsalter kämen.
Viele Pflegepersonen würden nur Teilzeit arbeiten wollen, schilderte die Präsidentin des Gesundheits- und Krankenpflegeverbands, Elisabeth Potzmann. "Köpfe sind also nicht Vollzeitäquivalente". Verschärft würde die Situation im Zuge der Coronapandemie durch Quarantänen bzw. Erkrankungen des Personals.
Als kurzfristig wirkungsvollste Maßnahme nannte die ehemalige Wiener Gesundheitsstadträtin und nunmehrige Geschäftsführerin des Dachverbands Wiener Sozialeinrichtungen, Sandra Frauenberger, die Rückgewinnung von ausgeschiedenen Mitarbeitern. Nötig seien dafür einerseits eine Analyse der Gründe für das Ausscheiden und andererseits kostenfreie Auffrischungskurse.
Dazu brauche es auch eine Ausbildungsoffensive in allen Bereichen, meinte der Vorsitzende der Gesundheitsgewerkschaft, Reinhard Waldhör. Einerseits müssten die Plätze an Fachhochschulen ausgebaut und die Pilotversuche an berufsbildenden höheren Schulen ins Regelschulwesen überführt werden. Außerdem benötige man mehr Lehrer für Gesundheits- und Krankenpflege und eine Modularisierung der Ausbildungen: Dann könnten auch Abbrecher mit einem Abschluss aussteigen.
Darüber hinaus nötig wären die Übernahme der Ausbildungskosten durch die öffentliche Hand sowie die Sicherung der Existenzgrundlage etwa durch Stipendien, so Diakonie-Sozialexpertin Anja Eberharter. Das dürfe nicht nur wie beim Fachkräftestipendium für Arbeitslose gelten, sondern auch für Personen, die sich beruflich neu orientieren wollen. Schließlich müsse sich Pflegepersonal auch berufsbegleitend höher qualifizieren können - etwa über ein analog dem Fachkräftestipendium gestaltetes Qualifizierungsstipendium, meinte Karin Abram von der Caritas.
Für den 26. November sind die Organisationen von der Regierung zu einem Runden Tisch geladen worden. Dann müssten aber Nägel mit Köpfen gemacht werden, so der Präsident des Bundesverbands "Lebenswelt Heim", Markus Mattersberger. "Das Sammeln von Ideen ist zu wenig." Es müsse dann gemeinsam zielorientiert an Lösungen gearbeitet werden.
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