APA - Austria Presse Agentur

"Mutterbaum-Hypothese": Forscher:innen fanden wenig Evidenz

Dass Bäume und andere Pflanzen zusammen mit Pilzen und Mikroorganismen verschiedenster Art hochkomplexe Netzwerke in Wäldern bilden, liegt auf der Hand.

In den vergangenen Jahren recht populär wurde aber auch ein hypothetisches Nährstoff-Austauschnetzwerk, bei dem sogenannte "Mutterbäume" über die Pilzgeflechte im Boden zum Beispiel jüngere Bäume aktiv unterstützen. Für diese Hypothese fand ein internationales Forschungsteam nun in einer Studie aber kaum stichhaltige Evidenz.

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Seit Ende der 1990er-Jahre werde die "Mutterbaum-Hypothese" auch in hochrangigen wissenschaftlichen Journalen kontrovers diskutiert. Gemeint ist damit die Idee, dass besonders hohe Bäume mit entsprechend gutem Lichtzugang, ihre durch Photosynthese gewonnenen Energiereserven an kleinere, quasi "befreundete" Bäume in ihrer Umgebung weitergeben. Als Übertragungsweg würden sie dafür auf die Pilzgeflechte im Boden zurückgreifen.

Diese Annahme fußt auf der wissenschaftlich nachgewiesenen Tatsache, dass sogenannte Mykorrhiza-Pilze mit Bäumen Zweckgemeinschaften eingehen, in denen man einander gegenseitig beim Aufschließen von Nährstoffen unterstützt. Die "Mutterbaum-These" erweitere die Funktionen dieser für die Ökosysteme wichtigen unterirdischen Netzwerke, hieß es am Dienstag in einer Aussendung des vom Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg (NÖ).

Hypothese weit über wissenschaftliche Kreise

Demnach unterstützen die alten, stattlichen Bäume etwa im Schatten wachsende Setzlinge aktiv über diesen Kanal. Mehr noch: Es werde ein umfassenderes Kommunikationsnetzwerk angenommen, über das einander Bäume beim gemeinschaftlichen Überleben unterstützen. Das habe auch dazu geführt, dass die Hypothese weit über wissenschaftliche Kreise hinaus, in Medien sowie bis in esoterischen Zirkel durchaus viel Widerhall hatte. Ein Team um Nils Henriksson von der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften, dem auch Oskar Franklin vom IIASA angehörte, analysierte nun im Rahmen seiner Studie im Fachmagazin "New Phytologist" Daten und Schlussfolgerungen aus wissenschaftlichen Untersuchungen zur "Mutterbau-Hypothese", heißt es in der Arbeit.

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Darin kommen sie zu einem nüchternen Schluss: Beweise für einen Kohlenstoff-Transfer in größerem Ausmaß über Mykorrhiza-Netzwerke zum Beispiel von etablierten Bäumen zu Sprösslingen fehlen demnach immer noch. Außerdem sei nicht ersichtlich, warum Pilze als eine Art Kohlenstoff-Pipeline herhalten sollten, da sie daraus eigentlich keinen ersichtlichen Vorteil ziehen, argumentieren die Wissenschafter. Auch Beobachtungen zu den Mustern, nach denen sich Wälder in der nördlichen Zone regenerieren, passen nicht zu den Annahmen der "Mutterbaum-Hypothese", schreiben Henriksson und Kollegen.

Eher deuten die Daten darauf hin, dass es in den Netzwerken regen "Handel" mit Ressourcen zwischen Pilzen und Bäumen, anstatt relativ freigiebiger Nährstoffteilung gibt. Somit sehe man öfters Hinweise auf verschärfte Konkurrenz zwischen Bäumen, und weniger auf kumpelhafte Unterstützung für den Baum-Nachwuchs, so Franklin, der am IIASA im Bereich "Land-, Forstwirtschaft und Ökosystemleistungen" tätig ist: Der Wald sei "kein Superorganismus oder eine Familie von Bäumen, die einander gegenseitig unterstützen. Es ist ein komplexes Ökosystem mit Bäumen, Pilzen und anderen Organismen, die alle voneinander abhängig sind, jedoch kein gemeinsames Ziel verfolgen."