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Forschungsprojekt über "Corona Fictions" will Narrative sammeln

Das Forschungsprojekt "Corona Fictions. On Viral Narratives in Times of Pandemics" der will literarische Erzählmuster in Krisenzeiten untersuchen.

Corona interessiert auch die Kulturwissenschaft. "Corona Fictions. On Viral Narratives in Times of Pandemics" heißt ein vom Wissenschaftsfonds FWF im Rahmen der Corona-Akutförderung mit 400.000 Euro gefördertes Forschungsprojekt der Literatur- und Kulturwissenschafterin Yvonne Völkl vom Institut für Romanistik der Universität Graz. In den kommenden zwei Jahren möchte sie untersuchen, wie literarische Erzählmuster in Krisenzeiten das gesellschaftliche Miteinander beeinflussen.

Völkl und ihr Team möchten dafür vorrangig literarische und audiovisuelle Medien aus romanischsprachigen Ländern analysieren, aber auch weitverbreitete Bücher oder Filme in anderen Sprachen miteinbeziehen. Deswegen soll die Bevölkerung in einem Citizen Science Projekt miteingebunden sein. Völkl: "Über eine digitale Plattform kann die Öffentlichkeit uns Hinweise auf Corona Fictions mitteilen." Die Website https://corona-fictions.uni-graz.at/ soll dafür ab 1. Juni online sein.

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Menschen streamten Katastrophenfilme

"Wir möchten wissen, welche Themen besonders dominant sind: Ist es die Angst vor dem Erkranken oder vor dem Sterben, sind es die Auswirkungen der Isolation oder die Schwierigkeiten mit Betreuungspflichten, ist es häusliche Gewalt?", so Völkl in einer Aussendung des FWF.

Zusätzlich sollen Gemeinsamkeiten zu früheren "Pandemic Fictions" analysiert werden: "Uns interessiert, welche Teile der Metaerzählung reaktiviert werden. Wir untersuchen konzeptionelle und begriffliche Strukturen, wie zum Beispiel Kriegsmetaphern, die das Virus als Feind darstellen. Denn diese Metaphern stimulieren das kollektive Gedächtnis des Publikums." So habe etwa Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dem Coronavirus in seiner TV-Ansprache zum ersten Lockdown gleich mehrfach den Krieg erklärt.

Umgekehrt hätten sich während des ersten Lockdowns im März 2020 viele Menschen Informationen auch aus kulturellen Erzeugnissen geholt. Albert Camus' "Die Pest" wurde plötzlich zum Bestseller, Katastrophenfilme wie Steven Soderberghs "Contagion" und Wolfgang Petersens "Outbreak" wurden häufig gestreamt.

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Eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem kulturellen Umgang mit derartigen Krisen könne auch der Politik nicht schaden, die sich hauptsächlich von medizinischen Daten und den Naturwissenschaften beeinflussen lasse, glaubt die Romanistin: "Auch die Geisteswissenschaften sollten in das Krisenmanagement miteinbezogen werden. Ihr Beitrag zum Umgang mit neuartigen Situationen ist nicht zu unterschätzen." Dabei gehe es etwa darum, "Kollateralschäden durch traumatisierende Narrative" zu verhindern.

Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Yvonne Völkl
GRAZ - ÖSTERREICH: FOTO: APA/Stefan Kristoferitsch

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