"Freunderlwirtschaft": Politkrimi von Petra Hartlieb
"Auch wenn Sie glauben, dass Ihnen in diesem Roman einiges bekannt vorkommt, möchte ich betonen: Die Geschichte ist zur Gänze von mir ausgedacht." Diese Vorbemerkung schickt die schreibende Buchhändlerin, die nicht nur mit Büchern über ihre "wundervolle Buchhandlung" und über eine Hausangestellte von Arthur Schnitzler bekannt wurde, sondern auch schon Krimis für Kinder und Erwachsene veröffentlicht hat, ihrem neuen Buch voran. Bei der Lektüre ist das freilich rasch als Schutzbehauptung entlarvt: Viele Details ihres Politkrimis wären glatt unglaubwürdig, wären sie uns nicht aus der innenpolitischen Berichterstattung der vergangenen Jahre geläufig.
Die smarte, junge, einander engstens verbundene Politikergeneration, die anfangs antritt, um die verkrustete Parteienlandschaft aufzubrechen und - einmal an der Macht - erkennt, dass sich nicht nur für das Land, sondern auch für die eigene Tasche einiges herausholen lässt, ist uns also bestens bekannt. Bei Hartlieb heißen der Bundeskanzler, der die Wende anführt, Stefan Fercher, und der Bundesminister für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, ein enger Jugendfreund des Kanzlers, Max Langwieser.
Letzterer begegnet uns sogleich als Toter - mit offenbar am schweren Designerglastisch seiner schicken Wiener Wohnung zerschlagenem Schädel. Seine Verlobte Jessica Pollauer ist unauffind- und unerreichbar. Chefinspektorin Alma Oberkofler, frisch gebackene Leiterin der Abteilung Leib und Leben am Landeskriminalamt Wien, nimmt die Ermittlungen auf: Unfall, unterlassene Hilfeleistung, fahrlässige Tötung oder gar Mord? Bald hat die Kriminalistin nicht nur die Presse im Genick, sondern auch den Verfassungsschutz an ihrer Seite. Viele haben ein Interesse, dass der Fall zu den Akten gelegt wird, ehe er überhaupt ein richtiger Fall wird.
Petra Hartlieb dagegen hat kein Interesse daran, nur rasch ein Sittenbild des Landes aufblitzen zu lassen, sondern möchte ganz grundsätzlich zeigen, an was wir uns alles schon gewöhnt haben - und daneben auch noch einen spannenden Krimi schreiben. Also fährt sie auf 400 Seiten allerhand auf: eine Vorgeschichte, wie ihre Ermittlerin schon als Kind mit brutaler Männergewalt und ebenso unverhohlener Vertuschung konfrontiert wurde, Details unzähliger realer Politikskandale, Stimmungsbilder aus dem Inneren von Polit- und Polizeiapparat, eine nach Agententhriller riechende Fluchtgeschichte, die im Aussteigerparadies endet - und sogar das augenzwinkernde kleine Selbstporträt einer kriminalistisch nicht unbegabten Buchhändlerin.
Das alles ist ein bisschen viel. Das ist aber nicht das Problem, denn die "Freunderlwirtschaft" erhält immer genau dann neuen Schwung, wenn eine gewisse Ermattung einzutreten droht. Das Problem ist, dass fast jedes der vielen Details der erfundenen Geschichte entweder vorstellbar ist oder in ähnlicher Form sogar stattgefunden hat. Das Problem ist, dass daher schon unerheblich zu sein scheint, wer in welchem konkreten Fall nun wirklich der Täter war.
Und das Problem ist, dass man nicht weiß, wie man damit umgehen soll, als Leser wie als Staatsbürger. Oder, wie es die am Ende suspendierte Ermittlerin ausdrückt: "Was war das nur für eine Wahnsinnsgeschichte, auf so etwas wurde man in der Ausbildung nicht vorbereitet. Sie war doch die Polizei und die war Teil des Staates, sie beschützte die Guten und verfolgte die Bösen. Und plötzlich war der Staat böse oder zumindest Teile davon. Keiner hatte ihr gesagt, was in so einem Fall zu tun wäre."
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - Petra Hartlieb: "Freunderlwirtschaft", DuMont Literaturverlag, 416 Seiten, 18,40 Euro; Buch-Premiere mit Florian Scheuba und Clemens Schaller am 10.9., 20 Uhr, in der Kulisse, Wien 17, Rosensteingasse 39)
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