Für Doppel-S und gegen Rieu: Der Kampf des Eduard Strauss

Eduard Strauss legt den Finger in die Wunde fehlender Strauss-Forschung
"Ich trage einen großen Namen" lautete der Titel einer Sendung im deutschen Fernsehen. Zugleich könnte es als Motto auch über dem Leben von Eduard Strauss stehen, Spross der großen Walzerdynastie. Der renommierte, mittlerweile pensionierte Jurist kann nicht nur auf eine lange Karriere in der Justiz, sondern auch ein langes Engagement für das Familienandenken verweisen. Und nicht zuletzt ist Eduard Strauss prononcierter Kämpfer für das Doppel-S im Nachnamen der Dynastie.

Dabei hat sich der heute 69-Jährige von der Bürde seines Nachnamens emanzipiert, stieg er doch bis zum Senatspräsidenten am Oberlandesgericht Wien sowie Verfahrensrichter im BVT-U-Ausschuss auf. Aber auch wenn das berufliche Leben Eduard Strauss' eher von Paragrafen denn Notenschlüsseln geprägt war, positionierte er sich zeitlebens als engagierter Verfechter des musikalischen Erbes seiner Familie. Deren Andenken hielt er stets mit seiner Vortragstätigkeit und dem Engagement als Obmann des Wiener Instituts für Strauss-Forschung hoch, nachdem er aus der Wiener Johann-Strauss-Gesellschaft, deren Präsident er von 1987 bis 1991 war, im Dissens geschieden war.

War der große Name nie Last? "Er war eine Verantwortung. Und vor allem dann eine Last, wenn es wieder einmal galt, sich gegen einen verbreiteten Blödsinn zu wehren", stellt Strauss im APA-Gespräch klar. Dazu zählt für ihn die landläufige Schreibung der Familie mit ß anstelle eines Doppel-S, also beispielsweise Johann Strauß statt Johann Strauss. Nicht zuletzt im Journalismus hat sich in den vergangenen 100 Jahren weitgehend die Variante mit ß durchgesetzt - in den Augen von Eduard Strauss eine krasse Fehlinterpretation, tradiert aus Faulheit.

Kurz gesprochen haben die beiden berühmtesten Vertreter der Sippe, Johann Strauss Vater und Sohn, ihre Nachnamen in der Kurrent-Unterschrift mit zwei S geschrieben. Der erste, anders geformte der beiden Buchstaben wird heute allerdings oftmals fälschlicherweise als ß gelesen. Dabei handelt es sich um das einst gebräuchliche Dopplungszeichen der Kurrentschrift.

Dass auch die Komponisten ihren Namen StrauSS und nicht Strauß schrieben, zeigt sich nicht nur an den meisten Partituren (auch wenn diese nicht in Majuskeln und damit in einem Schrifttypus verfasst sind, der kein ß kennt) und Unterschriften. Auch die Letter der Ehrengräber am Zentralfriedhof sind mit Doppel-S geschrieben.

Eduard Strauss hofft, dass das nahende Jubiläumsjahr 2025 seines Urgroßonkels hier endgültig den Umschwung in der geläufigen Schreibweise hin zum Doppel-S bringt, steht doch im kommenden Jahr anlässlich des 200. Geburtstages (25. Oktober 2025) von Walzerkönig Johann ein ganzer Veranstaltungsreigen ins Haus. Man sei mit den Festjahr-Verantwortlichen rund um Intendant Roland Geyer im guten Austausch und werde um Expertise gefragt - und das sei schon viel wert, denn das passiere selten, macht Eduard Strauss deutlich.

Geyer gelinge es, Strauss verschiedensten Menschen näherzubringen, auch wenn die Kommerzialisierung seines Vorfahren natürlich ein zweischneidiges Schwert sei: "Wenn er nicht kommerzialisiert würde, würde sich niemand mehr um ihn kümmern. Insofern sind das Neujahrskonzert, die Wiener Balltradition oder eben das Festjahr enorme Marketingtools." Zugleich bleibe für das Wiener Institut für Strauss-Forschung zu konstatieren: "Das Spektakel ist nicht das Unsrige."

"Das soll alles sein, aber nun geht es um den nächsten Schritt", forderte der gebürtige Wiener die Verantwortlichen in der Politik zum Handeln auf. Schließlich möchte er als Obmann des Wiener Instituts für Strauss-Forschung gemeinsam mit seinem Freund Norbert Rubey dafür Sorge tragen, dass ein wissenschaftlich fundierter Katalog zu den Werken von Johann Strauss Vater, Sohn, sowie von Josef, Eduard und Johann Strauss Enkel erscheint. Das koste aber schlicht Geld, von dem vielleicht im Zuge des Festjahres vonseiten der Stadt auch ein wenig für seriöse Forschungsarbeit abfalle: "Es geht hier nicht um das Spektakel für ein Jahr, sondern um Nachhaltigkeit."

Strauss schwebt ein Betrag von 2,5 Millionen Euro vor, mit dem man junge Wissenschafter zehn Jahre lang bezahlen könnte, die den Grundstock für weitere Arbeiten legen könnten. "Die Strauss-Forschung steckt noch in den Kinderschuhen", macht Strauss deutlich: "Entsprechend bedeutet das Ganze enorm viel Arbeit. Wenn man anfängt, muss man jede Angabe nochmals überprüfen." Es fehle ein entsprechender Lehrstuhl ebenso wie Ansätze zur notwendigen Digitalisierung.

Zugleich sei die fundierte wissenschaftliche Annäherung die Grundlage einer authentischen Interpretation der Strauss'schen Musik, die in den vergangenen Jahrzehnten sträflich lax gehandhabt worden sei. Da spielten Ensembles Arrangements nachfolgender Musiker und ignorierten den Originalnotentext. Warum? "Das Argument ist stets: Strauss rennt eh - wurscht, wie er gespielt wird. Aber nein, nein und nochmals nein!", ärgert sich Strauss über die Attitüde auch renommierter Orchester wie der Wiener Philharmoniker, die etwa den "Radetzky-Marsch" von Johann Strauss Vater in einer eigenen Einrichtung anstatt im Original spielen. "Das wäre bei Mozart undenkbar! Bei Strauss Vater geht es", echauffiert sich der Nachfahre.

Die Hoffnung auf packende und damit authentische Interpretationen der Werke hat er aber noch nicht aufgegeben: "Nehmen Sie etwa den 'Donauwalzer' mit seinem durchkomponierten Auftakt. Die Gegenläufigkeit ist hier das Entscheidende. Da müssen die Musiker um ihr Leben spielen." Überhaupt müsse Strauss wieder so intoniert werden, dass es die Menschen mitreiße und nicht statisch wie beim Neujahrskonzert: "Das brave Sitzen beim Konzert, das ist eigentlich nicht Strauss. Das war sicher nicht die Intention des Komponisten. Leben ist Bewegung!"

Wie ließe sich seine Motivation auf einen Satz zusammenfassen? "Ich möchte die Ausschaltquote bei André Rieu erhöhen!" Dabei weiß der umtriebige Jurist durchaus, wovon er spricht, konnte er im Privatleben die musikalischen Gene seiner Familie doch nie verleugnen. So war der Bariton lange Sänger im Wiener Männergesang-Verein und singt seit 1995 in der Chorvereinigung Schola Cantorum, deren Präsident er ist. Eine professionelle Musikkarriere stand für den Sohn des Dirigenten Eduard Strauss II. dabei nie zur Debatte: "Ich habe gesehen, wie mein Vater darunter litt, dass ihm die vielen Neider den Erfolg nicht gegönnt haben."

Außerdem sei die Bürde des erfolgreichen Vorfahrens immens. "Wer will 'Fledermaus' und 'Donauwalzer' toppen?". Dann lieber in der eigenen Profession erfolgreich sein. "Nach bürgerlichem Rang bin ich als Senatspräsident am Oberlandesgericht Wien konkurrenzlos", lacht Eduard Strauss. Entsprechend wollte er auch die Familientradition der Durchnummerierung nicht fortsetzen und trägt deshalb nicht den Zusatz Eduard Strauss III. "Wir haben in der Familie beschlossen, dass wir nur die Musiker nummerieren", macht er deutlich.

(S E R V I C E - www.johann-strauss.at)

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