Gender Gap: Frauen wählen tendenziell links

Frauen wählen tendenziell linkere Parteien
Der Gender Pay Gap und damit die Einkommensungleichheit ist nicht die einzige Lücke zwischen den Geschlechtern.

Auch beim Wahlverhalten gibt es einen Gender Gap: Frauen wählen tendenziell linkere, Männer konservativere Parteien, wie die Politikwissenschafterinnen Jessica Fortin-Rittberger von der Uni Salzburg und Sylvia Kritzinger von der Uni Wien gegenüber der APA erklärten. Aufgrund der Beliebtheit ihrer Themen könnte aber auch die FPÖ im Superwahljahr mehr Frauen anziehen.

In Österreich hatten bei der Nationalratswahl im Jahr 2019 mehr Frauen die Grünen (Frauen 17, Männer 10 Prozent) und weniger die FPÖ (Frauen 11, Männer 21 Prozent) gewählt, wie Daten von SORA (heute Institut Foresight) zeigen. Nicht für jede Partei gibt es einen Gender Gap, so Fortin-Rittberger, die von "Tendenzen" spricht. Jedoch würden Frauen weniger oft populistische, radikal rechte Parteien wählen als Männer. Das zeige sich auch international - etwa in der Wählerschaft Donald Trumps in den USA, jener der UKIP in Großbritannien oder der AfD in Deutschland. Bei der ÖVP gab es bei der Nationalratswahl 2019 einen kleinen Gender Gap (Frauen 36, Männer 38 Prozent), bei der SPÖ gar keinen (22 Prozent). Die NEOS waren - anders als in den beiden vorangegangenen Nationalratswahlen, bei denen es keine Unterschiede gab - eher bei Frauen beliebt (Frauen 11, Männer 5 Prozent).

Wählerinnen tendierten aber nicht immer nach links: Bis in die 1960er-Jahre hätten sie in europäischen Ländern grundsätzlich eher konservativ gewählt, sagte Kritzinger, die auch eine der Projektleiterinnen der österreichischen Wahlstudie AUTNES ist. In den 1970er-Jahren hätte es dann einen Wandel hin zu Mitte-Links-Parteien gegeben, die soziale Absicherung sowie Bildungsfragen und Familienhilfen thematisierten. Frauen scheinen jedenfalls jene Parteien zu belohnen, die sich für Themen einsetzen, die ihnen wichtig sind, so Fortin-Rittberger. Derzeit seien das etwa die Förderung von Geschlechtergleichheit durch Frauenquoten, Kinderbetreuung oder Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen.

Erklärungsansätze dafür, dass Frauen seltener Rechtsaußen-Parteien wählen, seien etwa, dass sie seltener in von der Globalisierung bedrohten Jobs arbeiten oder dass sie wirtschaftliche Positionen beim Wählen weniger in Betracht ziehen, so Fortin-Rittberger. Frauen würden außerdem weniger oft autoritäre oder nativistische Positionen vertreten. Manche radikal rechte Parteien hätten mittlerweile aber erkannt, dass sie für Frauen nicht sehr ansprechend seien, und würden sie nun strategisch umwerben. Etwa, indem sie mehr Frauen nominieren und sie prominent auf Wahllisten platzieren.

Massiv ist der Gender Gap beim Wahlverhalten den Expertinnen zufolge aber nicht. Auch Frauen würden Mitte-Rechts-Parteien wählen, wenn auch mit kleinerer Wahrscheinlichkeit, so Kritzinger. Überhaupt würden soziodemographische Faktoren wie Geschlecht und Alter an Wichtigkeit für die Erklärung des Wahlverhaltens einbüßen. Eine Rolle spielen die Einstellung zu bestimmten Themen und die Emotionalität, mit denen diese behandelt werden sowie die ideologische Position der Wählerinnen und Wähler. Auch bei der kommenden Nationalratswahl werde es wohl "einen kleinen Gap geben, aber der ist wahrscheinlich weniger wichtig in der Erklärung des Wahlverhaltens als andere Themen."

So könnte auch die FPÖ vermehrt bei Frauen punkten. Die Themen, die die Freiheitlichen ansprechen - von der Impfpflicht über Covid-Maßnahmen bis zur Migration -, würden von Wählern und Wählerinnen als wichtig empfunden. Hier gebe es wohl keine zu großen Genderunterschiede mehr, sagte Kritzinger. Sei eine gewisse Haltung zu einem Thema für eine Frau wichtig, werde sie auch in Betracht ziehen, die Partei, die diese vertritt, zu wählen.

Auch Fortin-Rittberger beschreibt einen kleineren Gender Gap in jüngster Vergangenheit. Bereits bei der Landtagswahl 2023 in Salzburg, wo mit Marlene Svazek eine Frau an der Spitze der FPÖ stand, hätten nur um sechs Prozentpunkte mehr Männer als Frauen die Freiheitlichen gewählt. Aber auch bei anderen Parteien, darunter den Grünen, habe es kaum einen Unterschied gegeben.

Ein Problem für die politische Partizipation von Frauen sei jedenfalls deren Selbsteinschätzung, findet Kritzinger. Sie würden von sich selbst sagen, weniger politisch interessiert zu sein und weniger von Politik zu wissen - "Obwohl sie eigentlich sehr viel wissen und teilweise mehr wissen als die jungen Männer." Letztere würden ihr Wissen höher einschätzen. Das beeinflusse nicht nur das Zur-Wahl-Gehen, sondern auch das politische Diskutieren und Demonstrieren. Schon in der Schule müsse das Selbstwertgefühl gestärkt und Frauen vermittelt werden, dass es gewünscht ist, wenn sie ihre Meinung äußern, appellierte die Politikwissenschafterin.

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