APA - Austria Presse Agentur

Generalstabschef: Neutralität muss militärisch geschützt werden

"Die Neutralität schützt uns nicht vor Krieg, die Neutralität bedarf selbst eines militärischen Schutzes." Diese Feststellung traf Generalstabschef Robert Brieger in der Neutralitätsdebatte im APA-Interview.

"Die Neutralität ist ein völkerrechtlicher Status und wenn man diesen glaubhaft aufrecht erhalten will, ist man gut beraten, starke Streitkräfte zu unterhalten", erklärt Brieger mit Verweis auf die neutrale Schweiz, die ihre Landesverteidigung sehr ernst nimmt.

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Eine Diskussion darüber, ob die Neutralität noch aktuell ist, sollte jedenfalls auf politischer Ebene geführt werden. Ob man neutral bleibt, oder der NATO beitritt, in beiden Fällen müsse man stark gerüstet sein, "wenn man die Sicherheit ernst nimmt".

Brieger geht im Juni als Leiter des Militärausschusses der Europäischen Union nach Brüssel. In diesem Komitee sitzen die Generalstabschefs der 27 Mitgliedsstaaten und beraten über gemeinsame militärische Aktionen der Union. Der Vorsitzende des Gremiums, der von den Generälen selbst gewählt wird, fungiert auch als militärischer Berater des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell.

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Die meisten EU-Länder sind auch NATO-Mitglieder, für Brieger ist eine EU-Armee trotzdem eine "erstrebenswertes Fernziel und ein wesentlicher Ankerpunkt". "Das heißt nicht, dass wir die transatlantische Partnerschaft aufgeben müssen. Aber eine starke europäische Komponente wäre wichtig." In den kommenden zehn bis 15 Jahren sei dieses Ziel aber nicht realistisch.

Der Austritt Großbritanniens aus der EU mache militärische Zusammenarbeit in Europa jedenfalls wesentlich einfacher, weil die Briten vieles blockiert hätten. "Großbritannien hat die transatlantische Partnerschaft, der europäischen Partnerschaft oft vorgezogen." Die Briten hätten zum Beispiel gemeinsame europäische Kommandostrukturen verhindert. Der Austritt bedeute aber gleichzeitig einen enormen Substanzverlust, denn Großbritannien sei eine Nuklearmacht und habe eine starke Marine.

Für die Zukunft Europas sieht Brieger nach einer Phase der friedlichen Koexistenz nun eine neue Phase der Konfrontation. "Man kann es Kalter Krieg nennen", Fakt sei jedenfalls, dass sich Europa bis jetzt in einem sicherheitspolitischen Vakuum befunden habe und mehr Geld in soziale Projekte und Wohlfahrt investiert habe. Nun müsse man aber wieder in die sicherheitspolitische Versicherungspolizze mehr einzahlen.

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"Man hat gesagt, nach Covid wird die Welt eine andere sein, für den Krieg in der Ukraine gilt das umso mehr." Es werde aber Wege geben müssen, denn wir werden für immer die Nachbarn Russlands bleiben und auch der russische Präsident Wladimir Putin werde nicht ewig leben.

Die Risikobilder müssen aber nicht neu geschrieben werden, so Brieger. Kriegerische Auseinandersetzungen in Europa "sind in unseren Grundlagekonzepten enthalten. Wir müssen das Festgeschriebene nun materiell umsetzen."