APA - Austria Presse Agentur

Geplantes Amazon-Verteilzentrum: WWF kritisiert UVP-Verzicht

Nachdem am Montag bekannt wurde, dass das von Amazon geplante Verteilzentrum im Süden von Graz wohl ohne Umweltverträglichkeitsprüfung gebaut werden könnte, verwies die steirische Umweltlandesrätin Ursula Lackner (SPÖ) am Dienstag in einer Aussendung auf die vor mehr als 20 Jahren getroffene Entscheidung des Grazer Gemeinderats: Dieser hatte das Areal als Gewerbegebiet gewidmet. Massive Kritik am Verzicht der UVP kam von der Naturschutzorganisation WWF.

Lackner zeigte sich erstaunt, dass einzelne Politikerinnen oder Politiker ein Eingreifen von ihr fordern: "Wer so etwas erwartet, befindet sich entweder im Wahlkampf, oder hat das Wesen der Demokratie nicht verstanden, zu deren Grundpfeilern die Rechtsstaatlichkeit gehört. Die Behörde hat ihre Entscheidung nach einem umfassenden Verfahren auf Basis des strengen Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes getroffen."

Der Grazer Gemeinderat habe mit der Widmung vor mehr als 20 Jahren dies "auch selbst zu verantworten", so Lackner, die noch ergänzte: "Diese Verantwortung nun auf das Land abschieben zu wollen, ist ein Ablenkungsmanöver. Für die Abwicklung der weiteren notwendigen behördlichen Verfahren ist die Stadt Graz zuständig."

Die Umweltorganisation World Wildlife Fund (WWF) kritisierte indessen die zu Wochenbeginn publik gewordene Entscheidung des Landes Steiermark, bei dem 5,7 Hektar großen Logistikzentrum auf eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung zu verzichten. "Die Steiermark ist bereits jetzt mit 3,3 Hektar Flächenfraß pro Tag an der Spitze der Bundesländer. Wer so ein Mega-Projekt ohne UVP durchwinkt, hat die Dramatik unserer Situation noch immer nicht verstanden", hielt die Bodenschutz-Sprecherin des WWF, Maria Schachinger, fest. Das geplante Projekt zerstöre nicht nur eine riesige Fläche wertvollen Ackerlands, es befinde sich laut Schachinger auch weit abseits des Güter-Schienennetzes und würde somit für massives zusätzliches Verkehrsaufkommen sorgen.

Laut den dem WWF vorliegenden Zahlen des Umweltbundesamtes hätten die Behörden in Österreich in den vergangenen 15 Jahren in der überwiegenden Mehrheit gegen eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung von Bauprojekten entschieden. In 15 Prozent der Fälle wurde eine UVP angeordnet. Die Naturschutzorganisation WWF Österreich fordert einen Bodenschutz-Vertrag, der den Flächenfraß verbindlich stoppt. Parallel wurde eine Reform des Umweltrechts mit einer Senkung der Schwellenwerte für Umweltverträglichkeitsprüfungen, eine breite Naturschutz-Offensive und die Ökologisierung des Steuersystems und der Raumordnung für notwendig erachtet.

Für das von Amazon geplante Logistikzentrum Graz-Süd ist laut dem Feststellungsbescheid der Behörde keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nötig. Berufungen sind aber möglich. Die Grazer KPÖ sprach von einem "Schlag ins Gesicht", die Grünen von "Bodenversiegelung auf Kosten der Grazer Lebensqualität". Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) will nun mit den Bauwerbern ins Gespräch kommen und Vizebürgermeister Mario Eustacchio (FPÖ) ist der Meinung, dass das Land Steiermark seiner Verantwortung nicht nachkomme.

Der Online-Riese Amazon will im Süden von Graz beim Liebenauer Gürtel ein Verteilzentrum mit Platz für rund 250 Mitarbeiter und knapp 1.000 Fahrer bauen. Die Flächeninanspruchnahme durch das Vorhaben beträgt etwa 5,7 Hektar, die Bruttogeschoßfläche 67.877 Quadratmeter. Geplant sind eine Lager- und eine Logistikhalle, zwei Parkflächen im Freien für die Pkw der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Ladeflächen, eine viergeschoßige Parkgarage für 960 Lieferfahrzeuge, Verkehrserschließungsflächen und Infrastrukturanlagen. Im Logistikzentrum sollen Pakete sortiert und ausgeliefert werden - 24 Stunden täglich, an sechs Tagen in der Woche. Es erfolge keine Feiertags- und Sonntagsarbeit. Der Betrieb verteilt sich auf drei Regelschichten.