APA - Austria Presse Agentur

Gericht will Ungarns Regierung verstärkt kontrollieren

Das ungarische Verfassungsgericht will die Regierung nach der Verabschiedung des umstrittenen Notstandsgesetzes verstärkt kontrollieren. Das am Montag verabschiedete Gesetz macht dem rechtsnationalen Premier Viktor Orban und seinem Kabinett ein Regieren per Dekret auf unbestimmte Zeit möglich und wurde auch international als "Selbstausschaltung des Parlaments" heftig kritisiert.

"Die Gefahrensituation (offizielle Bezeichnung für die aktuelle Notlage, Anm.) bedeutet, dass das Verfassungsgericht die höchste Kontrolle über die Verordnungen der Regierung ausübt - in etwaiger Ermangelung von Sitzungen des Parlaments. (...) Der Verfassungsgerichtshof wird ihre besondere Aufmerksamkeit auf die Entscheidungen der Regierung, die während der Gefahrensituation gefällt werden, lenken, denn diese betreffen die gesamte Gesellschaft", hieß es in einer Mitteilung von Verfassungsgerichtshofpräsident Tamas Sulyok.

Der ungarische Verfassungsgerichtshof darf - anders, als das Parlament - seine Sitzungen während der Notlage auch per Videokonferenz abhalten. Laut der Mitteilung ist es allerdings weiterhin nur über die Gerichte möglich, Eingaben an das Verfassungsgericht zu richten. Eine Ausweitung dieses Eingaberechts etwa auf Parlamentsabgeordnete, wie von einigen Menschenrechts- und Rechtsschutzorganisationen gefordert, gibt es weiterhin nicht.

Menschenrechtler hatten im Vorfeld der Verabschiedung des Notlagegesetzes eine verstärkte Kontrolle der Regierung durch die Verfassungsrichter eingefordert und dabei auch erweiterte Möglichkeiten verlangt, sich an den Verfassungsgerichtshof zu wenden.

Die grüne EU-Delegationsleiterin Monika Vana plädierte indes für die Schaffung eines europäischen Corona-Demokratie-Monitoring. "Mit diesem Monitoring können die einzelstaatlichen Corona-Maßnahmen erfasst und ihre Gefährlichkeit für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte mithilfe eines Ampelsystems eingestuft werden", sagte Vana. Zudem könne dieses Monitoring als punktgenaues Werkzeug genutzt werden, um die Rücknahme der Notstandsgesetze nach Ablauf der Corona-Krise zu begleiten und die Abschaffung aller demokratiefeindlichen Maßnahmen zu überwachen, so Vana.

Christoph Leitl, der Präsident der Europäischen Bewegung Österreich (EBÖ), einer Plattform der proeuropäischen Kräfte, zeigte sich besorgt über die Entwicklungen in Ungarn. "Der Kampf gegen das Coronavirus darf kein Vorwand sein, um Rechtsstaatlichkeit und europäische Grundwerte auszuhebeln. Hier geht es um das Fundament des gemeinsamen Europa. Es steht außer Frage, dass Ungarn nach der jetzigen Ausnahmesituation ohne Wenn und Aber auf den Weg der parlamentarischen Demokratie zurückkehren muss", forderte Leitl.