Gernot Plass gelingt mit "Lear" starker Abschied aus dem TAG

Gernot Plass lässt sich zum Abschluss mit "Lear" nicht lumpen
Sie war angekündigt als die größte Produktion in der 20-jährigen Geschichte des Wiener TAG und stellt zugleich die Abschiedsinszenierung des künstlerischen Leiters dar. Die Erwartungen waren dementsprechend groß für Gernot Plass' "Lear" frei nach Shakespeare - und man wurde nicht enttäuscht. Der angesichts des Stoffs überraschend lustige Abend voller feiner Regieeinfälle sorgte für nicht enden wollenden Applaus.

Im Programmheft wird Plass kurz persönlich: "Ich habe hier am TAG immer nur versucht, in Glutnester zu blasen. Manchmal wirbelte mehr, manchmal weniger Asche auf. Manchmal gelang ein wohliges Feuerchen", erklärt er seine langjährige Arbeit am Theater an der Gumpendorfer Straße. Mit "Lear" hat er definitiv noch einmal solch ein Feuerchen gezündet, das angesichts des Wahnsinns, der nicht nur in Shakespeares großem Stück sein Unwesen treibt, etwas Wärme spenden kann.

Im Businesslook Liebe heucheln

Mit zehn Schauspielerinnen und Schauspielern auf der Bühne lässt Plass sich nicht lumpen. Sie nehmen gut gekleidet auf schwarzen, schlichten Holzsesseln Platz, die auf weißem Boden und vor weißer Wand in mehreren Reihen bereitstehen. Alle sind sie da und warten auf den alternden König, der gespielt von Jens Claßen auftritt, um das Reich an seine drei Töchter (Lisa Weidenmüller, Lisa Schrammel, Michaela Kaspar) aufzuteilen. Zwei heucheln machthungrig ihre Liebe zu ihm, eine bleibt auf dem Boden - und wird dafür mit fürchterlicher Verachtung bestraft.

Der König ist gekränkt, was sich noch zum Wahn steigern soll, als die beiden anderen plötzlich gar nicht mehr so nett zu ihrem Papa mit "Pensionsschock" sind. Lear zieht bei Blitz und Donner auf die Heide, soll ihn und seine Kräuterkrone doch der Sturm holen! Dass es nicht so kommt, verdankt er den letzten verbliebenen loyalen Gefolgsmännern, die sich aber ebenso Intrigen und Machtspielen ausgesetzt sehen. Das Drama nimmt seinen brutalen Lauf.

Vom "Shitstorm" hinüber ins "Rotlichtdrittel"

So niederschmetternd das Stück auch ist, Plass lässt im Laufe des zweistündigen Abends keine bleierne Schwere aufkommen. Immer wieder bricht er das rastlose Geschehen mit lustigen Einfällen und Zeilen, ohne dabei zu sehr am Klamauk anzustreifen. Vom "Shitstorm" geht es hinüber ins "Rotlichtdrittel" und nach einem Abstecher bei Wikileaks zur Pflegestufendiskussion. Auch ein Kritiker muss dran glauben.

Die Schauspielerinnen und Schauspieler machen allesamt einen tollen Job, speziell ab der zweiten Hälfte des Abends bleibt aber leider wenig Raum für nuanciertes Spiel. Immerhin dürfen sie dafür beweisen, was ihre Stimmbänder alles so mitmachen und wie viele Flüche sich in kürzester Zeit hervorpressen lassen.

Das modifizierte Ende lässt sich als Kommentar auf die Gegenwart und den heranpfeifenden Sturm lesen. "Macht doch eure Augen auf! Seht!" Diese Inszenierung? Gerne!

(Von Lukas Wodicka/APA)

(S E R V I C E - "Lear" von Gernot Plass, frei nach William Shakespeares "König Lear" im Theater an der Gumpendorferstraße (TAG), Text und Regie: Gernot Plass, Mit: Jens Claßen, Emanuel Fellmer, Markus Hamele, Rüdiger Hentzschel, Michaela Kaspar, Stefan Lasko, Felix Rank, Lisa Schrammel, Georg Schubert, Lisa Weidenmüller. Dramaturgie: Tina Clausen, Ausstattung: Alexandra Burgstaller, Kostüm und Requisiten: Daniela Zivic, Licht: Katja Thürriegl, Ton: Peter Hirsch, Bühnentechnik: Manuel Sandheim und Andreas Wiesbauer. Nächste Vorstellungen am 31. Jänner sowie 1., 18., 19., 21. und 22. Februar. www.dastag.at)

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