Geschlechterrollen waren schon in Bronzezeit wichtig

Zahnschmelzanalysen im zweiten Gräberfeld von Franzhausen durchgeführt
Mittels Zahnschmelzanalysen können Forschende heute bei bereits in der Bronzezeit bestatteten Menschen ihr genetisches bzw. chromosomales Geschlecht bestimmen. Eine umfangreiche Untersuchung der Toten aus einem bisher unerforschten Gräberfeld in Franzhausen im unteren Traisental (NÖ) untermauerte nun, dass Geschlechterrollen bereits vor rund 4.000 Jahren eine große Bedeutung hatten, wie die Archäologin Katharina Rebay-Salisbury gegenüber der APA berichtete.

Das Team um die Forscherin von der Universität Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) nutzte ein "1000-Ideen"-Projekt, gefördert vom Wissenschaftsfonds FWF, um "das zweite Gräberfeld von Franzhausen und damit eine großartige, bisher unangetastete Ressource" für die Forschung zu erschließen. Es wurden u.a. 323 in Franzhausen II bestattete Kinder für die Geschlechtsbestimmung beprobt, Grabungspläne digitalisiert, und auch Gräber-Daten aus anderen Ländern wie Tschechien, Ungarn, Serbien und Spanien gesammelt: "Wir haben tolle Datenreihen generiert, als Grundlage für verschiedene Fragestellungen", so Rebay-Salisbury, die mit Forschenden aus Archäologie, Gerichtsmedizin und Chemie sowie den Kuratorinnen der Anthropologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien zusammenarbeitete.

In den zwei, in den 1980er-Jahren bei Bauprojekten entdeckten Gräberfeldern von Franzhausen wurden in der frühen Bronzezeit, zwischen 2300 und 1600 v. Chr., über 2.200 Männer, Frauen und Kinder bestattet. Die bereits sehr gut untersuchte Gräberstätte Franzhausen I lieferte schon im Vorjahr - anhand von Zahnschmelz-Analysen - Hinweise, dass Kinder nahezu immer ihrem biologischen Geschlecht entsprechend bestattet wurden.

Nun erfolgte die Erschließung des Gräberfeldes II, wobei dies das etwas länger genutzte und mit rund 1.500 Bestattungen zudem größere der beiden Gräberfelder ist - "das größte aus der frühen Bronzezeit in Mitteleuropa", so die Forscherin. "Man hat oft nur ein oder zwei Gräber, die man analysiert. Aber wie repräsentativ ist das für die damalige Gesellschaft? Mit der Erschließung von Franzhausen II haben wir jetzt eine riesengroße Menge von Gräbern, die statistisch gut belastbare Daten liefern", meinte Rebay-Salisbury.

Grundlage für den Datensatz lieferten dabei vor allem Analysen des Zahnschmelz-Proteins Amelogenin der gefundenen Gebisse - es birgt quasi einen Fingerabdruck, ob es sich bei den Bestatteten um eine Frau oder einen Mann resp. Mädchen oder Buben handelt. Das Protein unterscheidet sich je nach genetischem Geschlecht.

"Die Biologie des Menschen war schon in der Bronzezeit sehr wichtig. Die damalige Gesellschaft hat sehr viel Wert auf den Unterschied von Mann und Frau gelegt", sagte die Professorin für Urgeschichte des Menschen. So habe man die Toten etwa auch im Rahmen des Grabrituals entsprechend ihres Geschlechtes behandelt, unterschiedlich ins Grab gelegt, unterschiedliche Grabbeigaben mitgegeben. "Die bisherige traditionelle Bestimmung über die Knochenmerkmale ist aber nicht immer eindeutig gewesen." Doch entsprechende Unsicherheiten wurden mit der Amelogenin- Analyse überwunden. "Wir konnten so auch bisher unsichere Geschlechtsbestimmungen klären."

Mittels des neuen Datensatzes von den Toten von Franzhausen II soll nun in nächster Zeit geklärt werden, wie unterschiedlich das Leben von Mädchen und Buben war und ob eines der beiden Geschlechter überproportional mit Unterernährung, Traumata, Krankheiten oder Kindermorden in Zusammenhang gebracht werden kann. "Wir haben jetzt dieses Set an geschlechtsbestimmten Kindern und nun wollen wir die nächsten Schritte in Angriff nehmen", sagte die Forscherin.

So will man sich etwa anhand der Skelette anschauen, wie regulär die Kinder entwickelt waren oder ob man auf Krankheiten schließen kann. Dabei können relative Unterschiede bei der mit dem chronologischen Alter gut synchronisierten Zahnentwicklung und der Skelettentwicklung auf Unterernährung hinweisen - bei Mangelernährung bleibe oft das Längenwachstum der Knochen aus, so die Archäologin. Oder auch Zahnschmelzstrukturen können als Grundlage dienen, verzögertes Wachstum anzuzeigen. Frakturen an den Skeletten können auf Gewalt und Traumata hindeuten. "Auch wenn es nicht leicht ist, eine Todesursache zu bestimmen, so gibt es doch immer wieder Impressionsfrakturen am Schädel, die tödlich gewesen sein müssen."

"Das alles erfordert natürlich noch viele weitere Arbeiten", so die Wissenschafterin: "Aber man kann künftig auf dieses geschlechtsbestimmte Set zurückgreifen, das so wirklich einzigartig ist - mir fällt jedenfalls nichts Vergleichbares ein."

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