APA - Austria Presse Agentur

Gewaltsame Proteste legten Israel lahm

Gewaltsame Proteste äthiopischer Israelis legten Dienstagabend Israel lahm. Von Eilat im Süden über Tel Aviv und Jerusalem bis in den Norden waren Schnellstraßen und über 40 zentrale Kreuzungen durch Demonstranten gesperrt. Nichts ging mehr. Zehntausende Autofahrer saßen im Stau. Grund für Ausschreitungen war die Erschießung des 18-jährigen äthiopischen Israeli Salomon Teka durch einen Polizisten.

Ein Polizeibeamter in Zivil hatte am Sonntag im Norden des Landes während seiner Freizeit versucht, streitende Jugendliche zu trennen. Der Einsatz eskalierte, der Mann zückte seine Pistole und gab einen Schuss ab. Noch ist unklar, ob der Polizist direkt auf Teka gezielt hat, oder ob der junge Mann durch eine vom Boden abgeprallte Kugel tödlich getroffen wurde. Die Ermittlungen laufen. Der Polizist wurde verhaftet, aber nicht ins Gefängnis gesteckt, sondern unter Hausarrest gestellt. Er behauptet, von den Jugendlichen angegriffen und verletzt worden zu sein.

Die äthiopische Gemeinde in Israel akzeptiert diese "Erklärungen" allerdings nicht. Der Polizist habe Teka nur wegen seiner Hautfarbe erschossen, so der Vorwurf. Wir sind "Freiwild" in einem "Polizeistaat" lautet die vorherrschende Meinung in der äthiopisch-israelischen Gemeinde. Zehntausende aufgebrachte Demonstranten gingen deshalb auf die Straße, um gegen die Polizei zu demonstrieren.

So waren die Hauptzufahrtsstraße nach Jerusalem und die wichtigste Durchgangsstraße in der Metropole Tel Aviv stundenlang blockiert. Städte wie Aschkelon und Beth Schemesch waren mit dem Auto von keiner Seite her erreichbar. In den kilometerlangen Autoschlangen spielten sich erschütternde Szenen ab, weil Ambulanzen nicht durchkamen, um Kranke in Spitäler zu bringen, schwangere Frauen ihre Wehen bekamen und Zehntausende müde, hungrige und durstige Israelis im Stau steckten. Sie konnten nicht von der Arbeit nach Hause, nicht ihre Kinder vom Kindergarten abholen.

Brennende Reifen versperrten die Straßen, Löschfahrzeuge der Feuerwehr wurden zur Umkehr gezwungen, Motorradfahrer von ihren Maschinen gerissen und verprügelt. Als ein Autofahrer bei Tel Aviv die Nerven verlor und einfach losfuhr, sprangen mehrere Jugendliche auf das Fahrzeug und zerschmetterten die Windschutzscheibe. An anderer Stelle wurde ein Israeli auf einem Feldweg von den Demonstranten aus seinem Auto gezerrt, die Polizei konnte in letzter Minute eingreifen.

Bis zum späten Abend wurden über 60 verletzte Polizisten gemeldet und mehr als 60 verhaftete Demonstranten. Die Blockaden dauerten bis Mitternacht, auch danach gab es an vielen Stellen kein Weiterkommen, weil der Straßenbelag zerstört war. Die Polizei wirkte angesichts des Aufruhrs machtlos. Hundertschaften von Polizisten, ohne Schutzwesten und teilweise unbewaffnet, versuchten die gröbsten Gewaltexzesse zu verhindern. In Medienberichten war von "fürchterlichem Frust" unter den Polizisten die Rede. Seit Monaten gebe es keinen Befehlshaber, sondern nur einen ernannten Stellvertreter. Mangels klarer Befehle müsse man den Rechtsbrüchen der Demonstranten tatenlos zuschauen und könne nicht eingreifen, so die Kritik aus dem Polizeikorps.

Am späten Abend, mehr als sechs Stunden nach Beginn der Ausschreitungen, wandte sich schließlich Ministerpräsident Benjamin Netanyahu an die Bevölkerung. Er hatte zuvor noch an den amerikanischen Unabhängigkeitsfeiern in Jerusalem teilgenommen. "Wir umarmen die äthiopische Gemeinschaft und bedauern den Tod von Salomon Teka", sagte Netanyahu. Zugleich betonte der Regierungschef, dass Israel ein Rechtsstaat sei und die Blockade der Straßen nicht hingenommen werden könne.