APA - Austria Presse Agentur

Gewessler erwartet "Bewegung" beim Klimaschutzgesetz

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) ist "zuversichtlich", dass in die Gespräche über das seit zwei Jahren ausständige Klimaschutzgesetz wieder "Bewegung" kommt. "Wir werden auch bei diesem Gesetz auf einen grünen Zweig kommen", meinte sie im APA-Interview zur bisherigen Blockade der ÖVP. Energie werde sicher auch ein "großes Thema" bei der anstehenden Regierungsklausur sein. Bei der Sanierungsoffensive freut sich Gewessler über fast 100.000 Anträge und Registrierungen.

Nach einem Jahr, in dem Krisenbewältigung im Vordergrund gestanden ist, werde sich das Thema Energie auch ins nächste Jahr ziehen, erklärte Gewessler. "Wir haben große Schritte gemacht im Energiebereich - bei der Sicherung der Energieversorgung, aber eben auch bei der Steigerung unserer Unabhängigkeit in puncto Erneuerbare", betonte die Ministerin, "aber wir sind in ganz Europa noch nicht über den Berg". Auch das Jahr 2023 werde "anspruchsvoll bleiben", und daher sei der Bereich Energie - Energiewende, Energiesicherheit, "Raus aus der fossilen Abhängigkeit insbesondere von Russland" - "sicher auch ein großes Thema dieser Regierungsklausur". Welche konkreten Themen bei der Klausur am 10. und 11. Jänner präsentiert werden, ließ die Ministerin freilich offen.

In Gewesslers Bereich fehlt zum Beispiel seit zwei Jahren ein neues Klimaschutzgesetz. Dieses sei "ein wesentlicher Baustein", und "selbstverständlich ist mein Ziel nach wie vor, es so rasch wie möglich in Begutachtung zu bringen", betonte Gewessler. Das Klimaschutzgesetz auf den Weg zu bringen, sei "der nächste logische Schritt". Die ÖVP hat bei diesem Thema bisher gebremst. Es sei allerdings im vergangenen Jahr "gesickert", glaubt die Ministerin, "dass man mit altem Denken (...) die Krisen dieser Zeit nicht meistern kann". Der Umstieg auf erneuerbare Energien bedeute nicht nur Klimaschutz, sondern auch Energieunabhängigkeit im Sinne von Souveränität als Staat. "Und deswegen bin ich zuversichtlich, dass das jetzt auch die Gespräche über das Klimaschutzgesetz wieder in Bewegung bringt."

Mit dem Klimaschutzgesetz solle sichergestellt werden, dass Bund und Länder besser im Klimaschutz zusammenarbeiten. Außerdem geht es darum, einen Zielpfad festzuschreiben, wie man die Klimaneutralität 2040 erreiche - und man müsse sich auch damit beschäftigen, was passiert, wenn der Zielpfad verlassen wird. Von der als "Notbremse" geplanten automatischen Steuererhöhungen etwa der Mineralölsteuer, wenn Klimaziele verfehlt werden, sind die Grünen mittlerweile abgerückt. Dennoch pocht Gewessler auf "Verbindlichkeit" im Gesetz, um "mehr Handhabe" zu haben. Welche Konsequenzen stattdessen kommen könnten, sagte Gewessler nicht. "Da diskutieren wir grad sehr intensiv, wie das konkret ausschauen kann." Es müsse jedenfalls "mehr sein als das letzte Gesetz", denn dieses habe bloß "schöne Appelle beinhaltet".

Ebenso optimistisch gibt sich Gewessler bei der Reform der Umweltverträglichkeitsprüfung, deren Beschluss im Parlament eigentlich für den Herbst avisiert war. Die UVP-Novelle sei jetzt nach der Begutachtung "in der koalitionären Abstimmung", wie Gewessler es ausdrückte, "und ja, da bin ich sehr zuversichtlich, dass wir hier rasch auch mit einer Vorlage ans Parlament herantreten werden".

Dass es laut Medienberichten auch innerkoalitionäre Brösel beim Erneuerbaren-Wärme-Gesetz - dieses sieht den Ausstieg aus Gasheizungen bis 2040 und aus Ölheizungen bis 2035 vor - gibt, weist Gewessler zurück: "Wir haben eine Regierungsvorlage beschlossen", erinnerte Gewessler an den Ministerratsbeschluss im November. Mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament wurde es allerdings bisher nichts. Die Energiesprecher der Parlamentsfraktionen hätten alle Verantwortungsgefühl "und wissen um die Wichtigkeit dieser Gesetzesmaterie", meint Gewessler. Es werde "sicher an einem schnellstmöglichen Abschluss der Verhandlungen" gearbeitet.

Die Förderungen, die den Umstieg begleiten sollen, seien unabhängig davon jedenfalls für die kommenden Jahre gesichert, unterstrich Gewessler. 2021 und 2022 habe es im Zuge der Sanierungsoffensive insgesamt 98.138 Anträge und Registrierungen gegeben, der überwiegende Teil davon entfiel demnach mit rund 80 Prozent auf den Heizungstausch bei Privatpersonen. Fast 700 Millionen Euro an Förderung seien vergeben worden, betonte Gewessler. Bei der Förderung "Raus aus Öl und Gas" wurden für Einfamilienhäuser 58.782 Anträge und 20.816 Registrierungen verzeichnet, für den mehrgeschossigen Wohnbau 5.665. Bei den Förderungen für thermische Gebäudesanierung entfielen 11.556 auf Einfamilienhäuser, 455 auf den mehrgeschossigen Wohnbau und 864 auf Betriebe.

Anzeichen für ein vorzeitiges Aus der Koalition sieht Gewessler trotz der gegenseitigen Bremsmanöver keine. "Dieser Regierung sind auch in diesem Jahr sehr, sehr viele Projekte geglückt - ja, manche einfacher, manche nach längerer Diskussion, aber wichtig ist, dass am Ende die Bilanz stimmt", zählte sie eine Reihe von Maßnahmen von der Inflationsanpassung der Familien- und Sozialleistungen bis zur Abschaffung der Kalten Progression auf. Ob die Stimmung egal sei? "Nach Stimmung bewerte ich meine privaten Beziehungen. Eine Regierung ist eine Zusammenarbeit, das ist eine Arbeitsbeziehung, wo ich es am Ende am Ergebnis messe."

Die Bevölkerung ist Umfragen zufolge allerdings ziemlich unzufrieden mit der Regierungsarbeit. Der Vertrauensverlust betreffe nicht nur die Bundesregierung, sondern "insgesamt die Institutionen der Demokratie", meinte Gewessler. "Das muss für uns alle Anlass nicht nur zur Sorge sein, sondern auch Auftrag, dieses Vertrauen wiederzugewinnen" - durch ein "anderes Miteinander", aber auch konkretes Arbeiten. In Zeiten der Unsicherheit wie diesen sei von allen Akteuren Verantwortungsbewusstsein gefragt. Bei der FPÖ vermisst sie letzteres: "Es gibt glaube ich vier verantwortungsvollere Parteien im Parlament und eine, die sich schon besonders oft auszeichnet dadurch, einfach nur fundamental draufzuhauen, aus parteipolitischen Gründen." Die aktuellen Umfragen, wo die Grünen nur bei etwa zehn Prozent liegen und die FPÖ bisweilen auf Platz eins, bezeichnete Gewessler als "Momentaufnahme"; "wir haben das auch in den letzten Jahren gesehen, wie schnell sich Dinge auch ändern können".

Zurückhaltend bleibt die Verkehrsministerin bei der Frage, was sie von jenen Klimaaktivisten hält, die sich auf der Straße festkleben. Sie halte es "nicht für meine Aufgabe, der Zivilgesellschaft auszurichten, wie sie ihren Aktivismus anlegt". Sie komme selbst aus der Zivilgesellschaft und könne nur für sich selbst sagen, "ich habe für mich andere Aktionsformen gefunden". Das Demonstrationsrecht sei ein Grundrecht in der Demokratie. Sie halte jedenfalls nichts von einer Überspitzung der Diskussion - wenn man in diesem Zusammenhang von Terrorismus rede, verschwimme vollkommen die Grenze, "was ist Terrorismus und wovon geht eine reale Gefahr aus".