APA - Austria Presse Agentur

Gewessler: Stromnetz war bei Fast-Blackout nicht gefährdet

Österreichs Stromversorgung war durch das Beinahe-Blackout im europäischen Stromnetz vor eineinhalb Wochen zu keinem Zeitpunkt in Gefahr. Das betonte am Dienstag die für Energie zuständige Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne): "Die vorgesehenen Sicherheitsprozesse haben funktioniert." Dennoch seien weitere Netz-Investitionen nötig, sagen auch der Übertragungsnetzbetreiber APG und der Regulator E-Control. Die Rede ist von 10 bis 15 Mrd. Euro bis zum Jahr 2030.

Der Vorfall von 8. Jänner sei "eine nicht unkritische Situation" gewesen, "das europäische konzertierte Zusammenspiel führte aber dazu, dass sich das Netz wieder erfangen hat. Nach einer Stunde war das System wieder stabil", sagte Technikvorstand Gerhard Christiner von der Austrian Power Grid (APG). Die Mechanismen, die die Netzbetreiber in vielen europäischen Sitzungen durchspielen würden, hätten gut funktioniert. Für E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch zeigt dies die Wichtigkeit einer nationalen und internationalen Abstimmung. Jetzt gelte es, den Vorfall seitens der Übertragungsnetzbetreiber und der zuständigen Behörden von Anfang bis Ende zu untersuchen. Auch die Regulatoren hätten das Thema kommende Woche auf der Agenda. Voreilige Schlüsse zur Ursache sollte man noch nicht ziehen.

Im europäischen Stromnetzverbund müssten Erzeugung und Verbrauch immer gleich hoch sein, erläuterte Christiner. Dies sei am 8. Jänner kurz nach 14 Uhr aus dem Lot gekommen, weil aus Südosteuropa ein starker Stromzufluss von 300 MW hereingedrängt habe, dem regional kein Verbrauch gegenüberstand. Das habe in Südosteuropa zu einem Frequenzanstieg und einer Leitungsüberlastung geführt. Die Folge: eine "Kaskade von Leitungsabschaltungen". Am Ende habe sich ein Riss zwischen Südeuropa und Kontinental- bzw. Westeuropa aufgetan. "So etwas passiert innerhalb von dreißig Sekunden."

In Westeuropa, wo es zu wenig Erzeugung gegeben habe, sei die Frequenz gegenüber den normalen 50 Hertz unerlaubt stark abgefallen. Frankreich sei an dem Tag stromimportorientiert gewesen, "was selten ist". In Deutschland habe wenig Wind geherrscht. Südosteuropa habe untypisch viel Wasserkraftstrom zur Verfügung gehabt, skizzierte der APG-Vorstand die Lage am vorvorigen Freitag: Ein solcher Vorfall könne aber auch bei einer ganz anderen Konstellation auftreten.

Die vorgesehenen Regelreserven hätten dann ganz schnell gegriffen, so Christiner zum 8. Jänner. Großteils, zu 82 Prozent, sei dabei auf Wasserkraftwerke zurückgegriffen worden, zu sechs Prozent auf thermische Anlagen und zu elf Prozent auf Industrieanlagen, die ihren Stromverbrauch reduziert hätten. Erneuerbare hätten damals keine Rolle gespielt - also auch nicht als Ursache, so der APG-Direktor auf eine Frage. Die E-Wirtschaft bekenne sich zu den Erneuerbaren, trotz deren Volatilität. Das Stromsystem brauche mehr Flexibilität, um der volatilen Erzeugung entgegenwirken zu können, so Christiner - allein im APG-Bereich sind 3 Mrd. Euro Investments bis 2030 geplant. Auch Ministerin Gewessler betonte das "gemeinsame große Ziel" einer zu 100 Prozent erneuerbaren Stromerzeugung in Österreich ab 2030, bilanziell übers Jahr gesehen - aber auch die nachfolgenden Klimaneutralitätsziele für Österreich und die EU für die Jahre 2040 und 2050.

Die in Krisensituationen für das Stromnetz wichtige Netzreserve wird in Österreich gerade auf neue Beine gestellt. Die aktuellen Vereinbarungen in der Branche laufen zwar noch bis September, es wird aber schon der Netzreservebedarf für die Zeit danach eruiert. "Die Netzreserve hilft uns Freiräume zu schaffen, wo wir sie benötigen", so Christiner. Dabei geht es etwa um kalorische Anlagen, etwa Gaskraftwerke, die bei Bedarf gegen Entgelt zur Netzstützung beitragen - künftig aber auch kleinere Biomasse-Anlagen und Industriebetriebe, die zu nachfrageseitigen Laststeuerungs-Maßnahmen (Demand Side Response) bereit sind, also ihre Stromabnahme falls nötig absenken. Ministerin Gewessler hat Ende 2020 den Punkt "Netzreserve neu" aus ihrem großen Ökostrom-Reformpaket vorgezogen, als klar wurde, dass das Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) wegen offener Punkte zur EU-Notifizierung nicht mehr Anfang 2021 in Kraft treten kann.