Globus aus Straußenei soll von da Vinci stammen

Dieser Globus erzählt spannende Geschichten
Es soll der älteste Globus mit einer Darstellung der Welt an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert sein: Ein Artefakt aus zwei Straußenei-Hälften, das vor mehr als zehn Jahren von einem Globensammler auf einem Antiquitätenmarkt in London entdeckt wurde. An der Universität Graz sprach am Mittwochabend der Entdecker Stefaan Missinne über den Globus, dessen Urheber Leonardo da Vinci sein soll. Nach Graz hatte der Sammler eine Replik mitgebracht.

Der rund elf Zentimeter große Globus aus den runden Hälften zweier Straußeneier zeigt fein graviert die Welt, wie man sie zu Beginn des 16. Jahrhunderts durch die Expeditionen von Kolumbus und anderen Seefahrern kannte. Das Artefakt trägt Beschriftungen mit den Namen zahlreicher Länder und Regionen - "Galia", "Hispania" und "Italia" etwa dort, wo man heute Frankreich, Spanien und Italien vermuten würde.

Im Bereich des heutigen Nordamerikas und Kanadas schlängeln sich die dunklen Wellen des Ozeans. Das heutige Kuba ist mit "Isabel" beschriftet, und es sind "Sinarum Regio" (China) "Iudae" (Israel), "Asia Minor" (Türkei) und selbst die indische Hafenstadt "Caliqut" eingetragen. "Mundus Novus", "Terra Sanctae Crucis" und "Terra de Brasil" machen Südafrika aus, wie Missinne am Mittwoch auf Einladung des Zentrums für Wissenschaftsgeschichte an der Universität Graz erklärte. Hinzu kommen Seemonster, ein schiffbrüchiger Matrose, der unter anderem für die Datierung eine Rolle spielt und eine eingezeichnete Demarkationslinie: Sie teilt die Welt - mit Ausnahme von Europa - basierend auf den Vertrag von Tordesillas (1494) zwischen Spanien und Portugal auf, erklärte Missinne einige Details.

Als bisher älteste Globen mit Darstellung der Neuen Welt gelten zwei ähnliche Exemplare: Der etwa gleich große kupferne Hunt Lenox-Globe befindet sich in der New York Public Library, der Globus Jagellonicus in Krakau. Sie werden ebenfalls in die ersten Jahre des 16. Jahrhunderts datiert. Der Straußenei-Globus befindet sich im Besitz von Missinne selbst. Der in Belgien geborene und heute in Österreich lebende Sammler datiert ihn in das Jahr 1504 und hält ihn für den Prototypen, von dem dann der Abguss des kupfernen in New York gemacht worden sein soll.

Laut Missinne gebe unter anderem die Frisur eines Seemanns, der durch den Ozean schwimmt, einen wichtigen Hinweis zur Datierung: Eine italienische Frisurenspezialistin habe sie in die Jahre 1498 bis 1505 geschätzt. Noch erstaunlicher ist aber die Theorie zur Urheberschaft: Nach der Ansicht von Missinne geht diese auf keinen geringeren als Leonardo da Vinci zurück. "Ab 1490 experimentierte Leonardo mit dem Entwurf von Globen", führte Missinne am Abend in Graz aus. 1505 sei dann der Straußenei-Globus entstanden. Eine konkrete Signatur findet sich auf ihm allerdings nicht. Allerdings würden die Schraffuren am Globus darauf hindeuten, dass sie "von einem linkshändigen Künstler" gemacht worden seien - und Leonardo sei "der einzige Linkshänder in der Werkstatt" gewesen, wie Missinne betonte.

Die entscheidenden Hinweise zur Zuschreibung will der Globensammler in der Grazer Universitätsbibliothek gefunden haben. Dort werden alle Faksimiles von da Vincis Aufzeichnungen verwahrt: Der Globensammler hat so etwa Ähnlichkeiten eines im Ozean treibenden Schiffes zu Darstellungen von da Vinci gefunden. Oder eine Zeichnung im Codex Arundel in London, die Missinne als vorbereitende Studie für den Straußenei-Globus einstuft.

Die Herkunft der beiden Eier, die zusammengefügt den Globus ergeben ist aus seiner Sicht auch geklärt und würde ebenso einen Zusammenhang zu da Vinci herstellen: Sie sollen aus einem Schloss in Pavia stammen. Dort habe es zur fraglichen Zeit eine "Struzzeria" - ein Gehege mit mehreren Sträußen - gegeben. Und Missinne hat nicht nur Beweise, dass der Globus "aus natürlichen Eierschalen" aus Pavia besteht, sondern er habe auch einen Passagierschein gefunden, der belegt, dass da Vinci 1502 dort zugegen war.

Das Grazer Publikum zeigte sich beeindruckt von dem Fund und begeistert von den detailreichen Erläuterungen. Das Objekt vermochte aufgrund seiner kartografie-historischen Besonderheiten zu fesseln - egal ob es 1504 oder 1510 entstanden ist und ob aus der Hand von da Vinci, seiner Werkstätte oder eines anderen zeitgenössischen Künstlers.

Stefaan Missinne hat Sozial- und Wirtschaftswissenschaften studiert und beschäftigt sich seit Jahren mit Globen und Kunstkammerobjekten. Er ist Fellow der Royal Geographical Society und u. a. Mitglied der Leonardo da Vinci Society und der Österreichischen Gesellschaft für die Geschichte der Wissenschaft. 2018 wurde sein Buch "The Da Vinci Globe " von Cambridge Scholars Publishing verlegt.

(S E R V I C E - https://go.apa.at/TiRSaEZN )

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