APA - Austria Presse Agentur

"Gott ist nicht schüchtern" als Theater im Untergrund

Sie tun sich leid angesichts der Corona-Quarantäne-Maßnahmen, fühlen sich bevormundet und unterdrückt? Ein Besuch der Dramatisierung des großteils im syrischen Bürgerkriegs spielenden Romans "Gott ist nicht schüchtern" wird Sie eines Besseren belehren. Das ist die eine Sichtweise auf eine aktuelle Aufführung im Werk X-Petersplatz. Die andere Sicht ist die: Weiterhin ist Theater nur online möglich. Nur eine Handvoll Kritiker durften gestern zur "einmaligen Pressevorstellung".

Er würde lieber "in Katakomben als in Kathedralen" arbeiten, hatte vor Jahren der große Regisseur George Tabori beteuert, voller Zuversicht, dass Theater im Untergrund alle Widrigkeiten überleben werde. Daran musste man denken, als man am Donnerstagnachmittag (damit man vor Beginn der Ausgangsbeschränkungen brav wieder zu Hause sein konnte) die Stiegen zum Petersplatz-Kellertheater hinabstieg, wo bereits ein Häuflein Unentwegter, mit Schnabelmasken und Sicherheitsabstand, auf Einlass wartete. Weit hat es das Theater gebracht, schießt einem angesichts dieser absurden Szenerie durch den Kopf: Die letzten unbeirrten Anhänger eines verbotenen Kultes versammeln sich, um Thalia zu huldigen...

Die 100-minütige Aufführung, die ab 25. Februar, 19 Uhr, für eine Woche kostenlos on demand verfügbar ist, holt einen freilich rasch in die Realität zurück. In eine Realität, die man froh ist, nicht selbst erlebt zu haben. Olga Grjasnowa, in Aserbaidschan geborene und in Berlin lebende Autorin ("Der Russe ist einer, der Birken liebt" u.a.), erzählt in ihrem 2017 erschienenen Roman von zwei jungen Syrern, die zu Beginn des Aufstands die ganze Härte des Assad-Regimes zu spüren bekommen: Die Schauspielerin Amal gerät durch ihre Teilnahme an Demonstrationen in Damaskus ins Visier des Geheimdienstes, der Chirurg Hammoudi landet nach seiner Ausbildung in Paris in einem Untergrund-Spital in Deir ez-Zor, wo er in Operations-Marathons die Opfer der staatlichen Gewaltherrschaft behandelt.

Lisa Körcher hat die Bühnenfassung des Romans besorgt, die mit zwei Schauspielern auskommt. Diana Kashlan, 1984 mit tschechisch-arabischen Wurzeln in Österreich geboren, und Johnny Mhanna, 1991 in Damaskus geboren und seit 2015 in Österreich, verkörpern dabei nicht nur die beiden Protagonisten, sondern auch eine Vielzahl weiterer Figuren - vom Medizinstudenten bis zum Folterknecht. Regisseurin Susanne Draxler, zuletzt mit "Fahrenheit 451" im TAG erfolgreich, setzt im nüchtern-praktikablen Bühnenbild von Hawy Rahman auf eine immer rasantere Handlung, die in kurzen Zweierszenen immer bedrückender und auswegloser wird.

Ob der Schauplatz Syrien, die Ukraine, die Türkei oder Weißrussland ist, ist für diese Österreichische Erstaufführung egal. Unmenschlichkeit hat mit Fremdheit nichts zu tun. Das betont auch Draxler, der es ein besonderes Anliegen ist, "mit unserer Produktion gegen ein immer wieder latent vorhandenes 'Wir vs. Ihr'-Denken anzugehen. Nicht zufällig entstammen die beiden Protagonist*innen Amal und Hammoudi einer international vernetzten, gut ausgebildeten Mittelschicht. Das Leben, das sie in Syrien hinter sich lassen müssen, ist dem eine*r durchschnittlichen Theaterbesucher*in in Wien vermutlich gar nicht so unähnlich." Diese Intention vermittelt sich gut. Beide sind gar nicht sonderlich politisch, wollen eigentlich nur ein ganz normales Leben führen. Doch die Umstände lassen es nicht zu. Umstände, für die Menschen verantwortlich sind.

(S E R V I C E - "Gott ist nicht schüchtern" von Olga Grjasnowa, Bühnenfassung/Dramaturgie: Lisa Kärcher, Inszenierung: Susanne Draxler, Bühne: Hawy Rahman, mit Diana Kashlan und Johnny Mhanna. Eine Produktion von Nestbeschmutzer & Innen in Kooperation mit WERK X-Petersplatz. Stream ab 25.2., 19 Uhr: werk-x.at/premieren/gott-ist-nicht-schuechtern)