APA - Austria Presse Agentur

Grasser-Prozess: Kärntner Vorkaufsrecht politischer Wille

Am 92. Tag und rund eineinhalb Jahre nach Prozessbeginn im Korruptionsverfahren gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (ÖVP/FPÖ) war am Mittwoch einmal mehr das Vorkaufsrecht Kärntens für die Kärntner Eisenbahnerwohnungen (ESG) ein Thema. Dieses hatte entscheidenden Einfluss auf den Zuschlag für den Verkauf der Bundeswohnungen (u.a. Buwog), obwohl es gar nicht rechtlich verbindlich existierte.

Es war lediglich ein Entgegenkommen des damaligen Finanzministers Grasser an den mittlerweile verstorbenen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ). Denn das Vorkaufsrecht war nicht rechtlich verbindlich, weil es nicht mit Notariatsakt vereinbart wurde. Dies bestätigte am Mittwoch auch ein Mitarbeiter des damaligen Verkaufsberaters, der inzwischen zusammengebrochenen Investmentbank Lehman Brothers, im Zeugenstand. "Uns wurde mitgeteilt, dass das politischer Wille ist, das Vorkaufsrecht Kärntens einzuhalten", sagte der Zeuge.

Das Vorkaufsrecht habe sich als erschwerend für den Verkauf herausgestellt, daher habe man vorher Kärnten die ESG extra angeboten. Es sei aber bald klar geworden, dass Kärnten nicht zum von Lehman im Sommer 2003 vorgeschlagenen Preis von 120 Mio. Euro kaufen wollte, so der heutige Zeuge. "Kärnten konnte sich Preise bei 60 bis 80 Millionen vorstellen, aber nicht bei den 120, die wir vorgeschlagen hatten." Dies hatten andere Zeugen bereits bestätigt und gemeint, dem Land Kärnten hätte im Jahr 2003 schlicht das Geld dafür gefehlt.

Offenbar aus Rücksicht auf Haider wurde sogar im Verkaufsprozess eine eigene "Quiet Period", eine Stillhalteperiode von fünf Wochen vor der Kärntner Landtagswahl am 7. März 2004 eingehalten, erläuterte der Zeuge. In dieser Zeit sollte keine öffentliche Diskussion über den politisch umstrittenen Verkauf der Bundeswohnungen entstehen. "Das ist sicher nicht von uns gekommen, dieser Wunsch", so der Zeuge.

Der ehemalige Lehman-Mitarbeiter, der schon im parlamentarischen U-Ausschuss aussagen musste, betonte vor Richterin Marion Hohenecker, dass der Verkauf der Bundeswohnungen jedenfalls ein Erfolg für die Republik gewesen sei. Das ganze Verkaufsverfahren habe aber länger gedauert als er sich damals vorgestellt hatte.

Im Verfahren zum Verkauf der Bundeswohnungen habe es wöchentliche Treffen mit den Zuständigen im Finanzministerium gegeben. Projektleiter im Finanzministerium für den Verkauf war laut dem Zeugen der frühere Kabinettschef von Grasser, Heinrich Traumüller. Weiters habe es einen "Lenkungsausschuss" gegeben, eine größere Runde, in die das Finanzministerium verschiedene weitere Teilnehmer eingeladen hatte. "Im Lenkungsausschuss saß der wesentliche Entscheidungsträger, das ist der Finanzminister gewesen", sagte der Zeuge. Dort seien dann wichtige Entscheidungen getroffen worden.

Der befragte Zeuge stellte in der Befragung sehr umfangreich seine Erinnerungen zu dem Verkaufsprozess dar. Demnach hatte sich die begleitenden Investmentbank Lehman sehr um Geheimhaltung der Informationen bemüht. Zeuge Jürgen K. schilderte, wie die Lehman-Präsentationsunterlagen zu den Bundeswohnungen (Buwog u.a.) mit "Schattenbuchstaben" bzw. "Schattennummern" versehen worden waren, um bei heiklen Sitzungen die ausgeteilten Papiere genau zu identifizieren - und wohl auch um einen Geheimnisverrat zu verhindern. Er vermute, dass auch bei der Sitzung am 7. Juni 2004 - an der der damalige Finanzminister und nunmehrige Hauptangeklagte Karl-Heinz Grasser (FPÖ/ÖVP) teilnahm - die Unterlagen mit solchen Schattennummern versehen wurden. Bei der Sitzung wurde der Beschluss zur Abhaltung einer zweiten Runde gefasst. Die ausgeteilten Unterlagen wurden im wesentlichen nachher wieder eingesammelt, aber wohl nicht vom Minister und dem ebenfalls anwesenden Staatssekretär Alfred Finz (ÖVP), sagte der Zeuge.

Mit dem nun mitangeklagten damaligen Immofinanz-Chef Karl Petrikovics gab es einen Zwischenfall betreffend Geheimhaltung im Bieterverfahren: Petrikovics war nämlich in der Presse mit Aussagen zum Verkaufsprozess zitiert worden. "Wir haben mit dem Auftraggeber diskutiert, ob wir ihn aus dem Verkaufsprozess ausschließen", erklärte der Zeuge. Petrikovics sei der Ausschluss aus dem Verfahren angedroht worden. Da Petrikovics aber eine eidesstattliche Erklärung brachte, dass der Bericht nicht stimme und er die Vertraulichkeit nicht gebrochen habe, durfte er weiter im Bieterverfahren dabei bleiben.

Die Sitzung am Montag, dem 7. Juni 2004 im Gelben Salon im Finanzministerium befasste sich mit den Angeboten der Bieter für die Bundeswohnungen, die am Freitag davor beim Notar abgegeben worden waren. Zwei Bieter hatten gültige Angebote zeitgerecht abgegeben, nämlich die CA Immo und das Österreich-Konsortium, bestehend aus Immofinanz, RLB OÖ und weiteren Partnern. Der Bieter Blackstone habe die notarielle Beglaubigung seines eigenen Angebots nicht mehr zeitgerecht geschafft und nur eine Seite des Angebots vor Fristablauf abgegeben, wodurch er aus dem Rennen gefallen war, sagte der Zeuge.

Von Freitagabend bis zur Präsentation im Finanzministerium Montag früh habe das Lehman-Team mit den Anwälten die Angebote der zwei Bieter analysiert, erläuterte der Zeuge K. Dabei sei aufgefallen, dass im Angebot des Österreich-Konsortiums sechs Zusatzleistungen enthalten waren, die für Lehman nicht mit einen konkreten Wert quantifizierbar gewesen seien. Im Angebot der CA Immo wurde ein Zinsänderungsrisiko von 60 Mio. Euro abgezogen, daraus habe man einen weiteren Spielraum der CA Immo bei einer Verkürzung der Zuschlagsfrist abgeleitet.

Und schließlich habe die CA Immo einen Finanzierungszusage der Bank Austria beigelegt, die mit 960 Mio. Euro höher war als das gelegte Angebot. "Ich war überrascht", sagte der Zeuge, dass damals die finanzierende Bank einen höheren Kaufpreis garantierte, als im Angebot der CA Immo vorgelegt worden war. Er habe das damals als "handwerklichen Fehler" eingestuft, sagte der frühere Lehman-Banker.

Zu der Sitzung am 7. Juni 2004, Montagfrüh im Finanzministerium, hatte das Ministerium eingeladen. Die Berater von Lehman hätten lieber einen möglichst kleinen Kreis für diese vertraulichen Informationen über die Angebote gehabt. Doch vom Finanzministerium sei man dann am Wochenende verständigt worden, dass mehr Leute zu der Sitzung kommen würden. Daraufhin habe das Lehman-Team mehr Präsentationen ausgedruckt, schilderte der Zeuge.