Graz wählt in einer Woche neuen Gemeinderat

Viele nutzten den vorgezogenen Wahltag am Freitag
Noch eine Woche bis zur Grazer GR-Wahl am 26. September - und bis auf kleinere und erwartbare Aufreger war alles wie gehabt und eher unauffällig. Am vorgezogenen Wahltag stimmten weniger Menschen als erwartet ab, nur 9.387 (2017: 9.698). Dafür wurden bisher viel mehr Wahlkarten als 2017 beantragt. Einige Parteien wie die FPÖ setzen auf traditionelle Wahlkampfabschlüsse mit ihren Bundespolitikern, andere wie die Grünen klinken sich bei themennahen Events wie "Klimastreik" ein.

An Wahlkarten wurden bisher über 19.000 ausgegeben, wie der Wahlreferent Wolfgang Schwartz am Freitagabend bilanzierte. 2017 waren es zum selben Zeitpunkt "nur" 13.626 gewesen. Gesamt dürfte man auf rund 30.000 Wahlkarten bei 223.512 Wahlberechtigten kommen, schätzte Schwartz. Eine Premiere beim vorgezogenen Wahltag gab es für NEOS - ihr Spitzenkandidat Philip Pointner nutzte diese Möglichkeit der Stimmabgabe. Sonst lassen sich Grazer Spitzenkandidaten gerne erst am Wahlsonntag beim Wählen von den Medien ablichten.

Corona schlägt sich auch auf die Präsentation des - vorläufigen - Wahlergebnisses am Sonntag durch. Statt dem sonst üblichen Rummel von Parteiangehörigen und Presse soll es eher ruhig und mit Abstand zugehen. Neben der 3G-Regel zum Zugang und einem limitierten Besucher- und Medienkontingent ist vor allem eines eine Neuerung: Die Spitzenkandidaten der Parteien, die es voraussichtlich in den Gemeinderat schaffen, sollen am frühen Abend in einer Pressekonferenz das Wahlergebnis kommentieren.

Bei den Abschlussveranstaltungen handhaben es die Parteien unterschiedlich: Die KPÖ mit Spitzenfrau Elke Kahr beendet ihren Wahlkampf mit einer Abschluss-Pressekonferenz (Dienstag, 10.00 Uhr). NEOS müssen zum ihrem Leidwesen auf den angekündigten Besuch von Bundeschefin Beate Meinl-Reisinger verzichten. Die FPÖ haut auf die Pauke und will bei der gewohnten Schlussveranstaltung am Grazer Hauptplatz (Donnerstag, 16.00 Uhr) neben Spitzenkandidat und Vizebürgermeister Mario Eustacchio vor allem mit Bundesobmann Herbert Kickl als Aufputscher Stimmung im Endspurt machen. Die Blauen unterstützten auch ein in Graz eher seltenes Ereignis, den "Autokorso" am 15. September, als selbst ernannte Schutzmacht des motorisierten Individualisten.

Die ÖVP hatte am Freitag eine ihrer wirkungsstärksten Waffen in Stellung gebracht: Bundeskanzler Sebastian Kurz ließ sich - von Parteifreund Siegfried Nagl begleitet - die Innovationen von Start-ups im Grazer Science Park zeigen und pries dabei den Bürgermeister als den Mann, von dem für Graz viele Innovationen ausgegangen seien. Das hatte Nagl ähnlich schon 2003 als frischgebackener Bürgermeister nach seinem großen Wahlsieg erleben können, als der damalige ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel ihn als "Mr. Kulturhauptstadt" lobte.

Die SPÖ setzt auf viele kleinere Auftritt ihres Spitzenmannes Michael Ehmann in der letzten Woche vor dem Wahlsonntag. Die Grünen marschieren am Freitag an Griesplatz gegen Mittag beim von Fridays for Future organisierten "weltweiten Klimastreik" mit.

Ansonsten sind in den vergangenen Tagen mehr oder weniger erwartbare Aussagen und Aktionen von Spitzenkandidaten gesetzt worden. Die FPÖ setzt auf ihr bewährtes Thema Sicherheit vulgo Asylwerber und Kriminalität und genoss bei einem ihrer Plakate mit einem umstrittenen Flüchtlings-Sujet von 2015/16 sichtlich die Aufregung.

Wie um die seltsame Erzählung in manchen Medien und Parteien von einem "Linksblock" in Graz aus KPÖ, Grünen, SPÖ und seltsamerweise auch NEOS abzuschwächen, gerieten sich Grüne und KPÖ kürzlich etwas in die Haare. In einem offenen Brief erinnerten die Grazer Ökos die Kommunisten wegen eines Videos auf Social Media an das Fairnessabkommen - das alle Parteien bis auf die ÖVP unterzeichnet hatten.

Überraschend für viele politische Beobachter war, dass Nagl in einem ORF-Interview in Bezug auf die KPÖ die "Ideologie, die so viel Leid, so viel Todesopfer gefordert hat auf dieser Welt, 100 Millionen Menschen" thematisierte. Nagl hatte allerdings auch gesagt, dass er viele in der KPÖ, der zweitstärksten Partei in Graz, möge. Mit der Warnung vor der KPÖ hatte auch schon die Landes-ÖVP in vergangenen Landtagswahlen agiert, gefruchtet hat es nicht.

Interessant für die Stimmungslage: Bei der am Donnerstag abgehaltenen letzten Gemeinderatssitzung vor der Wahl beschlossen alle Parteien - gegen die ÖVP - eine Revision des Stadtentwicklungsplans und des Flächenwidmungsplans. Dies dürfte als Ausdruck des Eintretens gegen "Bauwut" und "Betongold" und Signal an die Wähler zu werten sein. Neben dem Thema Bauen und Flächenversiegelung war bisher der Verkehr das Megathema - bei dem praktisch alle Parteien u.a. gegen Nagls Mini-Metro-Pläne auftraten.

Bei der letzten GR-Wahl am 5. Februar 2017 platzierte sich die ÖVP unter Langzeit-Bürgermeister Siegfried Nagl mit einem satten Plus von 4,05 Prozentpunkten auf dem ersten Rang (19 von 48 Mandaten, 3 Stadtsenatssitze). Zweitstärkste wurde die KPÖ unter Stadträtin Elke Kahr mit einem leichten Plus von 0,48 Prozentpunkten auf 20,34 Prozent (10 Mandate, 2 Stadtsenatssitze). Die FPÖ als drittstärkste Partei erzielte bei einem Plus von 2,11 Prozentpunkten 15,86 Prozent (8 Mandate). Das Stadtsenatsmandat nahm Parteichef Mario Eustacchio als Vizebürgermeister wahr. Die SPÖ verlor 5,26 Prozentpunkte auf 10,05 Prozent, flog aus dem Stadtsenat und hielt fortan 5 Mandate. Die Grünen (minus 1,63 Prozentpunkte auf 10,51 Prozent) kamen auf einen Stadtratsposten und 5 Mandate. NEOS schafften aus dem Stand 3,94 Prozent und ein Gemeinderatsmandat. Die Wahlbeteiligung betrug 57,39 Prozent (2012: 55,47 Prozent).

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