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Graz-Wahl: KPÖ-Chefin Kahr schaffte Sensationserfolg

Die Grazer KPÖ-Parteichefin Elke Kahr hat einen Erfolg geschafft, den sie wahrscheinlich nicht einmal selbst für möglich gehalten hätte.

In der SORA-Hochrechnung inklusive Briefwahl die bisher regierende ÖVP mit Bürgermeister Siegfried Nagl überholt und lag deutlich um zwei Prozentpunkte vorne. Bei einem ersten Statement war Kahr ihrem Wesen gemäß nicht triumphierend, Nagl hingegen deutlich geknickt.

Kahr hatte vor der Wahl noch gesagt, wenn das zweite, schwach abgesicherte Stadtratsmandat von Robert Krotzer nicht gehalten werden könne, dann gehe sie und übergebe an Krotzer. Davon ist nun keine Rede mehr - eine solche Sensation hatte in Graz niemand erwartet und auch die Umfragen hatten das nicht hergegeben.

 

 

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Kahr und ihre Mitstreiter haben sich einmal mehr mit Authentizität zu einer Partei der "kleinen Leute" positioniert, die auch für Wechselwähler attraktiv ist - offenbar sogar mehr als das. Kahr könnte die erste kommunistische Bürgermeisterin von Graz werden - wohl eine Genugtuung.

Kahr war es schon 2012 gelungen, aus dem Schatten des über Österreich hinaus bekannt geworden früheren Stadtparteichefs Kaltenegger heraus zu treten und an das Sensationsergebnis von 2003 anzuschließen - mit den für die Grazer bzw. steirischen Kommunisten mittlerweile weitbekannten und typischen Eigenschaften: nachvollziehbares soziales Engagement, Fleiß, Bescheidenheit, Spenden eines Teil des eigenen Gehalts für gute Zwecke ("Tag der offenen Konten" immer am 28. Dezember jedes Jahres, Anm.) und einer jahrelangen Beharrlichkeit bei bestimmten Themen wie Sozialcard oder Kautionsfonds.

Dabei musste Kahr als Kaltenegger-Nachfolgerin 2008 erst einmal einen Absturz von 20,8 auf 11,2 Prozent verkraften, aus dem ein Verlust von sechs Mandaten und einem Stadtsenatssitz resultierte. 2012 war es wieder anders: Die KPÖ legte wieder um 8,68 Prozentpunkte zu und erreichte mit 19,86 Prozent fast das Ergebnis von 2003, mit einem Stadtsenatssitz und zehn Gemeinderäten - und Platz 2 vor der SPÖ, die seither stetig verlor.

Die Grazer KPÖ-Chefin gilt als integer, gelassen, engagiert und in Sozial- und Wohnfragen kompetent. Zuletzt ist noch Bemühen um die Verbesserung der Grazer Verkehrssituation dazugekommen - es wimmelte im Wahlkampf nur so vor Vorschlägen der Parteien bezüglich Straßen- bzw. S-Bahn-Forcierung, sogar U-Bahnbau steht zur Disposition, favorisiert von der Stadt-ÖVP. Das Wohnressort hingegen war jahrzehntelang eine KPÖ-Domäne gewesen und Teil der Kernkompetenz. 2017 verfiel die neue ÖVP-FPÖ-Koalition auf die Idee, einen Tausch vorzunehmen: Mario Eustacchio (FPÖ) übernahm das Wohnressort, Kahr wurde dafür "sein" Verkehrsressort zugeteilt - wohl in der Hoffnung, die Kommunistin zu entzaubern. Das Kalkül ging aber angesichts des Wahlerfolgs nicht auf. Kahr ließ sich jedenfalls nicht beirren und führte weiterhin Mieterberatungen durch. Ihr - von der Rathauskoalition um einige Agenden erleichtertes - Ressort für Verkehr führte sie so wie es unter den Umständen ging.

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Kritik lässt Kahr für gewöhnlich freundlich lächelnd und ruhig an sich abperlen - davon hatte es in den vergangenen Jahren genug gesetzt. Die Ablehnung u.a. des mittlerweile errichteten Murkraftwerks Puntigam hatte das Scheitern der Budgetgespräche im Oktober 2016 eingeleitet und damit die Neuwahl Anfang Februar 2017.

Die im Alter von drei Jahren adoptierte Grazerin Kahr (geb. 2.11.1961) war als Sekretärin in der Kontrollbank beschäftigt, machte nebenbei die Abendhandelsakademie und ist seit fast 30 Jahren Parteimitglied. Die Grazerin lebt seit 1988 in einer Lebensgemeinschaft mit dem früheren KPÖ-Landesparteivorsitzenden Franz-Stephan Parteder und hat einen erwachsenen Sohn. In den Gemeinderat zog Kahr 1993 ein, 1998 übernahm sie die Führung im KPÖ-Klub. In den Jahren 2003 bis 2004 bekleidete sie den Posten einer stellvertretenden Bundesvorsitzenden der KPÖ.